Und schöne Raubtierflecken
Bist du es denn?
Groß aus dem Weltraum nachts, der Spiegel ist,
Tönt dein zerwehtes Bildnis in meine Seele.
Die Sterne durchziehen harfend deine Brust.
Du aber…
Du glänzt vielleicht versehnt im weißen Federbett,
Traum liegt dir hart im Schoss. –
Oder ein junger Liebling
Zieht fühlsam mit zeichnendem Finger
Die festen Runden deiner Brüste nach.
Ihr seid sehr heiß.
Und schöne Raubtierflecken zieren eure Rücken.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Und schöne Raubtierflecken“ von Ernst Wilhelm Lotz verbindet eine expressionistische Bildsprache mit Motiven von Sehnsucht, Distanz und sinnlicher Vorstellungskraft. Es bewegt sich zwischen kosmischer Weite und körperlicher Nähe und entwirft ein stark subjektives, innerlich aufgeladenes Bild einer begehrten, zugleich unerreichbaren Figur.
Die erste Strophe beginnt mit einer Frage – „Bist du es denn?“ – die bereits Unsicherheit und Suchbewegung andeutet. Das lyrische Ich blickt in den „Weltraum nachts“, in den Spiegel, in die eigene Seele, und empfängt von dort ein „zerwehtes Bildnis“. Diese Formulierung betont die Flüchtigkeit und Unfassbarkeit des Gegenübers, dessen Bild sich wie ein Hauch in die Seele des Sprechers legt. Die Zeile „Die Sterne durchziehen harfend deine Brust“ ist ein typisch expressionistisches Bild, das Körper und Kosmos poetisch verschmilzt und eine fast mystische Verbindung zwischen beiden suggeriert.
Die zweite Strophe bringt eine abrupte Wendung von der abstrakten Weite zur konkreten Vorstellung. Plötzlich erscheint die Geliebte (oder ein projiziertes Bild von ihr) in einem weißen Federbett – eine intime, stille Szene, in der jedoch der „Traum“ „hart“ im Schoß liegt. Diese Dissonanz zwischen Weichheit des Betts und Härte des Traums verstärkt die Unruhe des lyrischen Ichs.
In der letzten Strophe rückt die sinnliche, beinahe erotische Vorstellung in den Vordergrund. Der „junge Liebling“ – möglicherweise ein Rivale – erkundet zärtlich den Körper der Frau. Dabei werden die „festen Runden“ der Brüste und die „schönen Raubtierflecken“ beschrieben, was eine Mischung aus Begehrlichkeit, Wildheit und ästhetischer Bewunderung ausdrückt. Die Raubtierflecken deuten auf animalische Sinnlichkeit, auf das Ungezähmte und Gefährliche im erotischen Begehren.
Insgesamt oszilliert das Gedicht zwischen Distanz und Nähe, zwischen visionärer Entrücktheit und körperlicher Intensität. Es zeigt die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs, das zwischen transzendenter Sehnsucht und eifersüchtiger Vorstellung schwankt. Die Sprache ist reich an Metaphern, oft bildhaft übersteigert, was dem Gedicht eine typische expressionistische Unruhe und Leidenschaft verleiht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.