Frühling im Alter
Singen die Vöglein im grünen Wald,
Klingen die Bächlein bergunter,
Lockt es den Alten mit Lustgewalt,
Klopfet das Herz ihm so munter:
Denket der Wonnen verschienener Lenze,
Denket der Kränze und denket der Tänze,
Fallen auch Tränen herunter.
Singet und klinget! das Heute ist mein,
Heut will ich singen und klingen
Lustig mit spielenden Kindern feldein,
Fröhlich mit fröhlichen Dingen,
Will mir bekränzen die Locken, die greisen:
Bald muß ich hinnen und wandern und reisen,
Wo mir die Vögel nicht singen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Frühling im Alter“ von Ernst Moritz Arndt thematisiert das Wechselspiel zwischen der Vergänglichkeit des Lebens und der Erneuerung durch die Natur. Zu Beginn beschreibt der Dichter, wie die Vögel im grünen Wald singen und die Bäche im Gebirge plätschern. Diese idyllischen Bilder von Frühling und Leben wirken auf den „Alten“ einladend und verlockend. Trotz seines Alters weckt die Natur in ihm eine erneuerte Lebensfreude: „Klopfet das Herz ihm so munter“. Hier wird die Sehnsucht nach den „Wonnen verschienener Lenze“ geweckt, als er sich an vergangene, unbeschwerte Zeiten erinnert, in denen er jung war, tanzte und Kränze trug. Doch dieser Rückblick ist nicht nur von Nostalgie, sondern auch von einem Hauch von Melancholie durchzogen, da die „Tränen“ fallen, was auf den schmerzhaften Verlust der Jugend und der vergangenen Freude hinweist.
Der zweite Abschnitt markiert eine Wendung im Gedicht, indem der „Alte“ erklärt, dass er „heute“ noch leben möchte – das „Heute“ wird zu einem wichtigen Moment. Er will singen und fröhlich mit den „spielenden Kindern“ auf den Feldern tanzen, als ob er die kindliche Unschuld und Fröhlichkeit in sich wiederentdecken möchte. Dies zeigt, wie der Dichter die Kraft der Natur und des Augenblicks nutzt, um den Älteren zu einer Art innerer Verjüngung zu verhelfen. Das „Bekränzen der Locken, die greisen“, ist ein Bild dafür, wie der Alte sich selbst eine symbolische Krone der Lebensfreude aufsetzt, als ob er die frohen Zeiten der Jugend für einen Moment zurückholt.
Im letzten Abschnitt wird das Bewusstsein für die Endlichkeit des Lebens deutlich, als der Dichter darauf hinweist, dass der „Alte“ bald „hinnen“ muss, eine Metapher für das Sterben oder das Ende des Lebens. Es wird ein Moment der Abschiednahme angedeutet, der mit der Unmöglichkeit verbunden ist, weiterhin die Freude der Vögel und der Natur zu erleben. Das Bild des Wanderns und Reisens deutet auf den unvermeidlichen Übergang hin, auf den der Alte mit einem letzten, bewussten Leben im „Heute“ reagiert.
Das Gedicht ist eine kraftvolle Meditation über das Altern und die Fähigkeit, auch im hohen Alter eine tiefe Verbindung zu den lebendigen, erfrischenden Kräften der Natur zu finden. Arndt nutzt den Frühling als Symbol für Erneuerung und als eine Quelle der Freude und Hoffnung, die es dem „Alten“ ermöglicht, sich trotz des nahenden Endes zu freuen und das Leben zu feiern. Die finale Wendung, dass der „Alte“ bald die Natur und das Leben verlassen muss, wird durch die Freude an der Gegenwart relativiert, indem der Dichter das „Heute“ als den wahren Schatz des Lebens hervorhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.