In einer fremden Stadt
Ich bin in eine fremde Stadt verschlagen.
Die Straßen stehn mit Häusern. Weißer Himmel,
Auf dem im Winde dünne Wolken ziehn.
Im Abend: Rufe, Pfiffe, Bahngebimmel.
In einem Cafe würden Melodien
Mir heute die Begrüßung doch versagen.
Ein Kellner käme fremd, was ich befehle:
Vielleicht war wieder Angst in meiner Kehle.
Ich gehe matt, zerschlagen hin auf realen Wegen.
Menschen kommen mir abendlich entgegen.
Pfiffe hör ich, Rufe, wie im Traum.
Ich spüre meine alte Angst noch kaum.
Ich werde schlafen gehn, daß mich nichts wieder quäle.
Ich kenne hier ja keine Menschenseele.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In einer fremden Stadt“ von Ernst Blass beschreibt die Empfindungen eines Fremden, der in einer unbekannten Umgebung unterwegs ist. Die erste Strophe stellt die Stadt als einen Ort der Entfremdung dar, in dem der Sprecher sich verloren fühlt. Die Straßen sind „mit Häusern“ gesäumt, der Himmel ist „weiß“, was eine gewisse Leere und Unbestimmtheit ausdrückt. Die „dünnen Wolken“ und der Wind verstärken das Bild einer unsicheren, flüchtigen Welt, in der der Sprecher sich nicht zu Hause fühlt.
Im zweiten Vers wird die Atmosphäre durch „Rufe“, „Pfiffe“ und das Geräusch des „Bahngebimmels“ belebt, was auf eine städtische Hektik hinweist. Diese Geräusche scheinen den Sprecher jedoch zu überfordern, da er in einem Café, einem Ort der potenziellen Begegnung und Kommunikation, nur eine leere Begrüßung erfährt. Der „fremde“ Kellner, der ihm nicht vertraut ist, sowie die Andeutung von „Angst in meiner Kehle“ deuten auf eine innere Blockade oder Unsicherheit hin, die die Interaktionen des Sprechers in dieser fremden Umgebung lähmt.
Die dritte Strophe verstärkt dieses Gefühl der Entfremdung, da der Sprecher als „matt“ und „zerschlagen“ beschrieben wird. Er geht „auf realen Wegen“, was eine gewisse Distanz zu seiner Umgebung und zu den anderen Menschen in der Stadt zeigt. Der „abendliche“ Moment der Begegnung mit anderen Menschen könnte ein symbolisches Bild für die Distanz zwischen dem Sprecher und der fremden Stadt sein, in der er sich nicht zugehörig fühlt. Es ist, als ob die Menschen ihm „abendlich entgegenkommen“, aber dennoch eine Unvertrautheit bleibt.
Am Ende des Gedichts kündigt der Sprecher an, dass er „schlafen gehen“ wird, um der quälenden Unruhe zu entkommen, die ihn in dieser neuen Umgebung erfasst. Die Feststellung, dass er hier „keine Menschenseele“ kennt, verstärkt das Gefühl der Isolation und der Unverbundenheit. Das Gedicht endet mit einem Hauch von Verzweiflung, der jedoch von der Hoffnung auf Ruhe durch den Schlaf begleitet wird. Der „Traum“, der zu Beginn erwähnt wird, taucht hier erneut auf und deutet darauf hin, dass der Sprecher in dieser fremden Welt ein Leben in Entfremdung lebt, das von der Suche nach innerer Ruhe geprägt ist.
Insgesamt thematisiert Blass in diesem Gedicht das Gefühl der Fremdheit und Isolation in einer unbekannten Umgebung. Die wiederholte Erwähnung von Geräuschen und fremden Begegnungen verdeutlicht die Entfremdung des Sprechers und seine Suche nach einer Zuflucht vor der inneren Unruhe, die durch die Fremdheit ausgelöst wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.