Was ist der Mensch?
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
ein kleines Hirn und ein großer Mund,
und eine Seele – daß Gott erbarme! –
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
muß essen und feilschen und Karren lenken,
muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
muß hoffen und muß sein Glück verpassen –
und leiden wie ein geschundner Hund.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Was ist der Mensch?“ von Erich Mühsam präsentiert eine ironische und kritische Reflexion über das menschliche Leben und seine Wesenszüge. Die erste Strophe beschreibt den Menschen auf eine sehr reduzierte, fast mechanische Weise: „Ein Magen, zwei Arme, ein kleines Hirn und ein großer Mund“ – der Mensch wird hier auf seine körperlichen, rein physischen Merkmale reduziert. Diese Darstellung lässt wenig Raum für eine tiefere oder erhabene Vorstellung vom Menschsein und verweist auf die Absurdität, die in der Idee liegt, den Menschen nur auf seinen Körper und seine biologischen Funktionen zu reduzieren. Die Zeile „und eine Seele – daß Gott erbarme!“ führt zu einer sarkastischen Wendung, indem sie das Konzept einer „Seele“ als eine fast unnötige oder tragische Ergänzung in einem ansonsten banalen und mechanischen Leben darstellt.
In der zweiten Strophe wird das Leben des Menschen als eine Reihe von Verpflichtungen und Tätigkeiten beschrieben, die der Mensch „muss“. „Muß schlafen und denken“, „muß essen und feilschen“ – all diese Tätigkeiten sind Teil des Lebens, die uns zwingend auferlegt werden. Es wird eine fast tragikomische Darstellung des menschlichen Daseins vermittelt, da der Mensch zwar in seiner Existenz von vielen Dingen „muss“, diese jedoch oft wenig erfüllend oder bedeutungsvoll sind. Der Mensch ist gefangen in einem Kreislauf von „wuchern“ und „feilschen“, was auf die Bedeutung von materiellen Besitztümern und den Drang nach Gewinn hinweist, der in der Gesellschaft oft vorherrscht. Doch dieser Drang, das Leben „zu meistern“, scheint keine wahre Erfüllung zu bringen.
Die nächste Reihe von Tätigkeiten – „muß beten und lieben und fluchen und hassen, / muß hoffen und muß sein Glück verpassen“ – stellt die emotionale Unruhe und die Widersprüchlichkeit des menschlichen Lebens dar. Der Mensch wird von einer Vielzahl von Gefühlen und Impulsen beherrscht, die ihn in ständigem Auf und Ab bewegen. Es wird angedeutet, dass das Streben nach Glück oft zum Scheitern verurteilt ist, da der Mensch sein „Glück verpassen“ muss. Die letzte Zeile, „und leiden wie ein geschundner Hund“, bringt die bittere Wahrheit zum Ausdruck, dass das menschliche Leben oft von Leid und Enttäuschung geprägt ist – als ob der Mensch dazu bestimmt ist, zu leiden.
Erich Mühsam gibt in diesem Gedicht eine ungeschönte, fast zynische Antwort auf die Frage „Was ist der Mensch?“. Der Mensch wird nicht als ein erhabenes, geistiges oder spirituelles Wesen dargestellt, sondern als ein gefangener Teil eines mechanischen, oft sinnlosen Kreislaufs von Pflichten, Emotionen und Leiden. Das Gedicht hinterfragt die Wertvorstellungen und die Gesellschaft, die diese Mechanismen antreibt, und zeigt die tragische und absurde Seite des Menschseins auf.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.