Bonzenblues
Sei dankbar, Volk, den Edlen, die dich leiten,
der Obrigkeit, die stets dein Heil bedenkt.
Willst du dir selber dein Geschick bereiten,
bald wär die Karre in den Sumpf gelenkt.
Was weißt denn du, was für dein Wohlsein nötig ist?
Das Volk gehorche, weil es brägenklötig ist.
Der höhern Einsicht füge dich beizeiten,
und frag nicht lang, warum der Staat dich hängt.
Vertraue, Volk, den Bonzen der Parteien,
geborgen ist dein Glück in ihrem Schoß.
Wenn du sie wählst, wolln alle dich befreien,
wenn sie gewählt sind, melken sie dich bloß.
Stell dir doch vor, wenn niemand dich regieren soll,
wovon dein Bonze dann noch existieren soll.
Der ganze Landtag müßt vor Hunger schreien.
Selbst die Abortfrau wäre arbeitslos.
Sie haben nichts im Kopf als Paragraphen.
Die Bonzen sind, o Volk, die Jungs im Skat,
verhängen Steuern über dich und Strafen,
und wenn du aufmuckst, dann ist’s Hochverrat.
Sie merken nie, wenn alles auf der Kippe steht,
sie merken immer, wo noch eine Krippe steht,
doch du, o Volk, du kannst geruhsam schlafen.
Die Bonzen wachen, ja es wacht der Staat.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Bonzenblues“ von Erich Mühsam ist eine scharfe Satire auf die soziale und politische Ungerechtigkeit sowie auf das System der Machtverhältnisse, die das Volk unterdrücken und ausbeuten. Von Anfang an spricht der Sprecher in einer ironischen, fast spöttischen Weise und fordert das Volk auf, den „Edlen“ und der Obrigkeit dankbar zu sein, da diese angeblich stets ihr Wohl im Auge haben. Die Zeilen „Was weißt denn du, was für dein Wohlsein nötig ist?“ und „Das Volk gehorche, weil es brägenklötig ist“ verspotten die Vorstellung, dass die herrschende Klasse immer das Beste für das Volk im Sinn hat und zugleich suggerieren sie, dass das Volk aufgrund seiner Unwissenheit blind gehorchen sollte. Dies zeigt die Kritik an der Arroganz und dem Überlegenheitsgefühl der herrschenden Klasse.
In der zweiten Strophe setzt sich die Kritik fort, indem der Sprecher den „Bonzen“ der politischen Parteien vertraut, die den Volkswillen angeblich vertreten. Doch der Sarkasmus wird deutlich, als Mühsam darauf hinweist, dass diese „Bonzen“ nach den Wahlen nur noch „dich bloß melken“ und das Volk ausbeuten. Die ironische Frage „Stell dir doch vor, wenn niemand dich regieren soll, / wovon dein Bonze dann noch existieren soll“ stellt auf spöttische Weise die Abhängigkeit der politischen Elite von der Ausbeutung der Bevölkerung dar. Das Gedicht spiegelt das Gefühl wider, dass die politischen Führer ihre Positionen nur durch das Ausnutzen der einfachen Leute aufrechterhalten können.
Die dritte Strophe richtet sich direkt gegen die Politiker, die „nichts im Kopf als Paragraphen“ haben und sich ausschließlich mit bürokratischen und steuerlichen Fragen beschäftigen. Sie sind „die Jungs im Skat“, was auf eine gewinnende, aber gleichgültige Haltung hinweist – sie spielen mit den Menschen wie mit Karten, ohne echte Verantwortung zu übernehmen. Mühsam verknüpft die Bürokratie mit repressiven Maßnahmen, indem er darauf hinweist, dass bei einem Aufstand des Volkes „Hochverrat“ droht, was die brutale Haltung der Obrigkeit gegenüber dem Widerstand unterstreicht.
In der letzten Strophe zeigt sich die ganze Verachtung für das politische Establishment. Während das Volk in seiner hilflosen Lage „geruhsam schlafen“ kann, „wacht der Staat“, was darauf hinweist, dass der Staat und seine Vertreter stets auf die Kontrolle und Unterdrückung des Volkes bedacht sind. Diese Zeilen verdeutlichen das Gefühl, dass die politische Elite ununterbrochen die Macht ausübt und dabei gleichzeitig das Wohl des Volkes aus den Augen verliert.
Erich Mühsam prangert in „Bonzenblues“ die ungerechten Machenschaften der politischen Elite an und deckt auf, wie diese die Bevölkerung in einem System der Ausbeutung und Unterdrückung halten. Das Gedicht ist eine scharfsinnige, kritische Reflexion über die Machtverhältnisse, die das Volk in einer ständigen Unterdrückungslage halten und dabei die wahren Bedürfnisse der Menschen ignorieren. Durch den Einsatz von Ironie und Sarkasmus schafft es Mühsam, die Doppelmoral und die Ausbeutung der politischen Führung auf eine bissige und treffende Weise zu entlarven.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.