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Morfin

Von

Wir warten auf ein letztes Abenteuer,
Was kümmert uns der Sonnenschein?
Hochaufgetürmte Tage stürzen ein,
Unruhige Nächte – Gebet im Fegefeuer.

Wir lesen auch nicht mehr die
Tagespost
.
Nur manchmal lächeln wir still in die Kissen,
Weil wir alles wissen. Und gerissen
Fliegen wir hin und her im Fieberfrost.

Mögen Menschen eilen und streben,
Heut‘ fällt der Regen noch trüber.
Wir treiben haltlos durchs Leben
Und schlafen, verwirrt, hinüber…

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Gedicht: Morfin von Emmy Hennings

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Morfin“ von Emmy Hennings beschreibt auf eindringliche Weise den Zustand der Betäubung, Entfremdung und Resignation, der mit der Sucht und dem Leben am Rand der Gesellschaft einhergeht. Der Titel verweist direkt auf Morphin und deutet somit eine Welt an, in der das lyrische Ich und die angesprochene Gemeinschaft im Rausch leben, fern von der Realität und gleichgültig gegenüber den alltäglichen Abläufen der Außenwelt.

Zentrale Themen des Gedichts sind die Erschöpfung und der Verlust von Sinn im Leben. Die „hochaufgetürmten Tage stürzen ein“, die „unruhigen Nächte“ werden zum „Gebet im Fegefeuer“ – das Leben erscheint als qualvoller Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt. Trotz dieser Verlorenheit klingt in der zweiten Strophe eine zynische Selbstironie an: „Nur manchmal lächeln wir still in die Kissen, / Weil wir alles wissen.“ Dieses stille Lächeln ist das resignierte Wissen um die eigene Situation und die Aussichtslosigkeit der Flucht in den Rausch.

Die Sprache des Gedichts ist von Schwere und Stillstand geprägt. Bilder wie „Fieberfrost“ und „wir treiben haltlos durchs Leben“ verstärken den Eindruck des Kontrollverlusts und des Verlorenseins. Auch das „hinüber Schlafen“ lässt sich als Bild für das langsame Hinübergleiten in den Tod oder das völlige Abdriften aus der realen Welt deuten.

Insgesamt zeigt „Morfin“ eindrucksvoll das existenzielle Vakuum, in dem sich das lyrische Ich befindet: ein Leben zwischen Rausch und Erschöpfung, in dem Streben und Alltag keine Bedeutung mehr haben. Hennings thematisiert hier unverstellt das Suchtmilieu, das sie selbst kannte, und entwirft ein Bild von Menschen, die in der Betäubung einen letzten Rückzugsort gefunden haben, fernab vom „trüben“ Regen der realen Welt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.