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Weltende

Von

Es ist ein Weinen in der Welt,
als ob der liebe Gott gestorben wär,
und der bleierne Schatten, der niederfällt,
lastet grabesschwer.

Komm, wir wollen uns näher verbergen…
Das Leben liegt in aller Herzen
wie in Särgen.

Du, wir wollen uns tief küssen –
es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
an der wir sterben müssen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Weltende von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Weltende“ von Else Lasker-Schüler zeichnet ein düsteres, existenziell aufgeladenes Stimmungsbild, in dem Welt- und Lebensmüdigkeit zentral stehen. In wenigen Versen entfaltet sich ein Gefühl kollektiver Trauer, Einsamkeit und Todesnähe – doch zugleich auch der Wunsch nach Nähe und Liebe als letzte menschliche Zuflucht.

Bereits der erste Vers „Es ist ein Weinen in der Welt“ eröffnet eine Atmosphäre allgemeiner Verzweiflung. Das Bild, „als ob der liebe Gott gestorben wär“, radikalisiert dieses Gefühl: Es ist nicht nur ein individueller Schmerz, sondern ein metaphysisches Erschüttern. Die Welt scheint ihrer göttlichen Ordnung beraubt, und der „bleierne Schatten“ steht als Metapher für eine erdrückende, unentrinnbare Dunkelheit. Die Verwendung von „grabesschwer“ intensiviert die Assoziation mit Tod und Endgültigkeit.

In der zweiten Strophe wird diese kollektive Erstarrung weitergeführt. Das Leben „liegt in aller Herzen / wie in Särgen“ – das Bild suggeriert nicht nur das Verstummen oder die Lähmung der Lebensfreude, sondern auch eine Art seelisches Begräbnis. Der Aufruf „Komm, wir wollen uns näher verbergen“ wirkt wie ein Rückzug in die Intimität, ein Versuch, sich gegenseitig Schutz zu bieten inmitten einer sterbenden Welt.

Die letzte Strophe bringt einen bittersüßen Kontrast: Inmitten der Todesstimmung steht die Geste des „tief Küssens“. Es ist ein Akt der Sehnsucht, fast verzweifelt, eine letzte Lebendigkeit gegen das drohende Ende. Der letzte Vers „es pocht eine Sehnsucht an die Welt, / an der wir sterben müssen“ verbindet die Liebessehnsucht untrennbar mit dem Bewusstsein des Todes. Die Welt selbst wird hier als etwas Unerreichbares, vielleicht gleichgültiges empfunden, an deren Unzugänglichkeit die Liebenden zerbrechen.

„Weltende“ zeigt eindrücklich die für Else Lasker-Schüler typische Verbindung von Weltschmerz und Liebesverlangen. Die Liebe erscheint als einziger Ausweg aus der trostlosen Welt, gleichzeitig aber auch als etwas, das im Angesicht der Endlichkeit nicht retten kann. So entsteht eine poetische Spannung zwischen Hoffnung und Resignation, Nähe und Verlorenheit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.