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Urfrühling

Von

Sie trug eine Schlange als Gürtel
und Paradiesäpfel auf dem Hut,
und meine wilde Sehnsucht
raste weiter in ihrem Blut.

Und das Ursonnenbangen,
das Schwermüt’ge der Glut
und die Blässe meiner Wangen
standen auch ihr so gut.

Das war ein Spiel der Geschicke,
eins ihrer Rätseldinge…
Wir senkten zitternd die Blicke
in die Märchen unserer Ringe.

Ich vergaß meines Blutes Eva
über all‘ diesen Seelenklippen,
und es brannte das Rot ihres Mundes,
als hätte ich Knabenlippen.

Und das Abendröten glühte
sich schlängelnd am Himmelssaume,
und vom Erkenntnisbaume
lächelte spottgut die Blüte.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Urfrühling von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Urfrühling“ von Else Lasker-Schüler beschreibt eine mystische und leidenschaftliche Begegnung, in der die Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und einer geheimnisvollen, verführerischen Frau im Mittelpunkt steht. Die Frau, die „eine Schlange als Gürtel“ trägt und „Paradiesäpfel auf dem Hut“, wird als eine Art Symbol der Versuchung und der geheimen Verlockung dargestellt. Die Schlange, traditionell ein Symbol für Verführung und Gefahr, und die Paradiesäpfel, die an den biblischen Garten Eden erinnern, stellen eine Verbindung zu verbotenen, aber verlockenden Begierden her.

Die „wilde Sehnsucht“, die das lyrische Ich empfindet, „raste weiter in ihrem Blut“, was die starke emotionale und körperliche Anziehungskraft verdeutlicht, die die Frau auf den Sprecher ausübt. Diese starke, fast übernatürliche Verlangen wird durch die Worte „Ursonnenbangen“ und „Schwermüt’ge der Glut“ verstärkt, die auf eine tief empfundene Leidenschaft und gleichzeitig eine tragische, unerreichbare Sehnsucht hindeuten. Die Frau scheint in einer perfekten Symbiose mit dem lyrischen Ich zu sein, da ihre „Blässe“ und „Schwermüt’ge der Glut“ ebenso zu ihrer Erscheinung passen wie die Wangen des Sprechers.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird das Treffen als ein „Spiel der Geschicke“ beschrieben, als ein mystisches Rätsel, das beide miteinander teilen. Das Bild der „Märchen unserer Ringe“ und das Senken der „zitternden Blicke“ verweisen auf eine Art magische, fast traumhafte Verbindung, die die beiden miteinander haben. Hier wird die Distanz zwischen dem Ich und der Frau in eine Traumwelt transformiert, in der Realität und Fantasie miteinander verschmelzen. Die „Seelenklippen“, über die das lyrische Ich spricht, könnten auf die Unzugänglichkeit oder die inneren Konflikte hinweisen, die in dieser tiefen, aber unerreichbaren Sehnsucht existieren.

Im letzten Teil des Gedichts stellt das lyrische Ich fest, dass es „meines Blutes Eva“ vergessen hat, was auf das Vergessen der eigenen Identität und Herkunft in der Euphorie und dem Verlangen nach der Frau hinweist. Das Bild von „Knabenlippen“ und „Rot des Mundes“ suggeriert eine Art Verjüngung und Unschuld, die im Kontrast zu der intensiven, aber unerreichbaren Leidenschaft steht. Schließlich schließt das Gedicht mit einer Szene der Erkenntnis, in der das „Abendröten“ und die „spottgute Blüte des Erkenntnisbaumes“ die Ambivalenz und den bittersüßen Charakter des Wissens und der Erkenntnis in dieser Beziehung darstellen. Die Blüte des Erkenntnisbaumes lächelt spöttisch, was darauf hindeutet, dass das Wissen oder die Wahrheit in dieser Situation nur eine Illusion ist, die letztlich nur zur Enttäuschung führt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.