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Nachweh

Von

Weißt du noch als ich krank lag,
so Gott verlassen –
da kamst du,
es war am Herbsttag,
der Wind wehte krank durch die Gassen.

Zwei kalte Totenaugen
hätten mich nicht so gequält,
wie deine Saphiraugen,
die beiden brennenden Märchen.

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Gedicht: Nachweh von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nachweh“ von Else Lasker-Schüler thematisiert eine Erinnerung an eine Begegnung in einem Moment tiefster Schwäche und Einsamkeit. Die lyrische Ich-Erzählerin beschreibt eine Szene, in der sie krank und „Gott verlassen“ ist – ein Zustand völliger Verlassenheit, der sowohl körperliches Leiden als auch seelische Trostlosigkeit ausdrückt. Die Ankunft der angesprochenen Person wird zwar erwähnt, bringt jedoch keinen Trost, sondern verstärkt das Leid auf schmerzhafte Weise.

Der Zeitpunkt der Begegnung – ein Herbsttag – spiegelt das innere Befinden der Sprecherin: Herbst steht traditionell für Verfall, Vergänglichkeit und Schwermut. Auch der „Wind“, der „krank durch die Gassen“ weht, verstärkt diese Stimmung und macht das äußere Wetter zum Spiegel der inneren Erschöpfung. Die Welt erscheint kalt, leer und von einem Gefühl der Trostlosigkeit durchdrungen.

Besonders eindrücklich ist der Vergleich in der zweiten Strophe, der die Intensität des inneren Schmerzes zum Ausdruck bringt: „Zwei kalte Totenaugen / hätten mich nicht so gequält, / wie deine Saphiraugen“. Hier wird deutlich, dass nicht der Tod oder die Abwesenheit, sondern gerade die Anwesenheit und der Blick des geliebten Menschen unerträglich sind. Die Augen, „brennende Märchen“, werden zu Symbolen einer ambivalenten Beziehung – sie sind schön, geheimnisvoll, fast überirdisch, aber auch schmerzhaft und unerreichbar.

In dieser kurzen, aber dichten Momentaufnahme steckt eine ganze Geschichte aus Sehnsucht, Enttäuschung und emotionaler Abhängigkeit. Der Titel „Nachweh“ verweist auf das Nachwirken einer Liebe oder einer intensiven Beziehung, deren Spuren noch lange schmerzen. Die Erinnerung ist nicht nur melancholisch, sondern beinahe traumatisch – ein Rückblick auf eine Begegnung, die mehr verletzt als geheilt hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.