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Dir

Von

Drum wein ich,
dass bei deinem Kuss
ich so nichts empfinde
und ins Leere versinken muss.
Tausend Abgründe
sind nicht so tief,
wie diese große Leere.
Ich sinne im engsten Dunkel der Nacht,
wie ich dir’s ganz leise sage,
doch ich habe nicht den Mut.
Ich wollte es käme ein Südwind,
der dir’s herüber trage,
damit es nicht gar voll Kälte kläng‘
und er dir’s warm in die Seele säng‘
kaum merklich durch dein Blut.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Dir von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dir“ von Else Lasker-Schüler beschreibt eine emotionale Zerrissenheit und die innere Leere, die die Sprecherin in einer gescheiterten oder unerfüllten Beziehung empfindet. Zu Beginn des Gedichts erfahren wir, dass die Sprecherin bei einem Kuss „nichts empfindet“ und ins „Leere versinken muss“. Dieses Bild der Leere symbolisiert nicht nur das Fehlen von Gefühlen, sondern auch die tief empfundene Entfremdung, die die Sprecherin in der Beziehung erlebt.

Die „tausend Abgründe“ werden als weniger tief empfunden als die „große Leere“, die die Sprecherin durchzieht. Diese Metapher verstärkt die Empfindung, dass nichts die innere Leere füllen kann. Die Entfremdung ist so tief, dass sie mehr wie eine existenzielle Erfahrung wirkt. Sie sinniert im „engsten Dunkel der Nacht“, was auf eine Verzweiflung und Einsamkeit hindeutet, die sie nur in der Dunkelheit ihrer Gedanken zu begreifen versucht.

Ein zentraler Teil des Gedichts ist die Unsicherheit und der fehlende Mut, die wahren Gefühle auszudrücken. Sie hätte es gerne „ganz leise“ gesagt, doch sie hat nicht den Mut dazu. Dies verdeutlicht ihre Angst, sich vollständig zu öffnen und die Wahrheit über ihre Gefühle zu offenbaren. Stattdessen hofft sie auf den „Südwind“, der ihre Gefühle zu der anderen Person tragen könnte. Der Wind wird hier zu einer symbolischen Figur, die eine Verbindung herstellt und das Gefühl auf sanfte, fast unmerkliche Weise überbringt.

Am Ende wünscht sie sich, dass ihre Worte nicht „voll Kälte“ klingen, sondern „warm in die Seele“ der anderen Person dringen. Die Wärme des Windes steht hier für die Hoffnung, dass ihre Gefühle nicht abgelehnt oder missverstanden werden. Doch auch hier bleibt das Gefühl der Distanz und die Schwierigkeit, den anderen wirklich zu erreichen – ein Thema, das sich durch das gesamte Gedicht zieht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.