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Brautwerbung

Von

Ihr kennt ja all‘ die Liebe nicht,
die in mir glüht, die in mir stürmt
wie unerfüllte Weltenpflicht.
Das Feuer hat sich aufgetürmt
in meiner Seele Einsamkeit
und brennt wie Steppenbrand.

Du! mit dem roten jungen Mund… .
Du weichst zurück in banger Scheu?
Und nennst mein Fühlen ungesund.
Es blieb dem tiefen Drang getreu
dem Mittage der Frühlingszeit
im Sonnenland.

Du! mit den Augen jugendcharme… .
Du schlägst sie nieder angsterfüllt?
Und fürchtest, dass mein Flammenarm
dich an sich reißt in Nächten wild.
Nimm dir zum Schatz den Erdenmann,
ihn friert selbst in der Sonne Glut.

Du! mit den Wangen südenbraun…
Du zitterst wie die Frühlingsflur,
auf deinem Leibe will ich baun
den roten Garten der Natur
und pflanzen all die Sehnsucht an
aus meinem ungestümen Blut.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Brautwerbung von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Brautwerbung“ von Else Lasker-Schüler ist ein leidenschaftliches, fast eruptives Bekenntnis zu einer radikal empfundenen, ungezähmten Liebe, die sich offen und fordernd an ein jüngeres, zurückhaltendes Gegenüber richtet. In flammender Sprache thematisiert es das Spannungsverhältnis zwischen intensiver weiblicher Leidenschaft und der Ablehnung oder Angst des Geliebten. Dabei wird die Liebe als Naturgewalt beschrieben, als schöpferische, aber auch zerstörerische Energie.

Bereits in der ersten Strophe schildert das lyrische Ich seine Liebe als „unerfüllte Weltenpflicht“, ein Ausdruck, der zeigt, wie existenziell aufgeladen und universal diese Empfindung ist. Das Bild des „Steppenbrands“ steht für die unaufhaltsame Ausbreitung dieser inneren Glut – die Liebe ist kein zartes Gefühl, sondern eine lodernde, alles verzehrende Kraft, die aus der Einsamkeit hervorbricht. Es ist das Bekenntnis einer Frau, die ihre Gefühle nicht zurückhält, sondern sie in poetisch verdichteter Form offenlegt.

Die Anrede an das „Du“ zieht sich als roter Faden durch das Gedicht. Es ist ein junger, schöner, aber zurückschreckender Geliebter, der die Intensität der Sprecherin nicht aushält. Seine Zurückweisung wird dabei nicht als Kritik akzeptiert, sondern als Ausdruck von Angst, Kälte und Konventionalität gedeutet. Die Zeile „Nimm dir zum Schatz den Erdenmann, / ihn friert selbst in der Sonne Glut“ ist ein scharfer Kontrast: Der gewöhnliche Mann ist im Vergleich zum leidenschaftlichen Ich ein Wesen der Gefühlsarmut, unfähig, wahre Glut zu empfinden oder zu erwidern.

In der letzten Strophe steigert sich die Sprache ins Sinnlich-Körperliche: Der Geliebte wird mit der Frühlingslandschaft verglichen, sein Körper wird zum Ort, auf dem das Ich einen „roten Garten der Natur“ errichten will. Diese Zeile ist nicht nur ein Bild für die körperliche Liebe, sondern auch für eine kreative Verschmelzung von Natur und Begehren. Die Liebe der Sprecherin ist nicht bloß romantisch oder erotisch – sie ist schöpferisch, lebensspendend und zutiefst mit ihrem innersten Wesen verbunden.

Else Lasker-Schüler gestaltet mit „Brautwerbung“ ein radikal weibliches, selbstbewusstes Liebesgedicht, das gängige Geschlechterrollen unterläuft: Nicht der Mann wirbt um die Frau, sondern eine leidenschaftliche Dichterin fordert, kämpft und bekennt sich ohne Scheu. Ihre Sprache ist archaisch und modern zugleich, durchdrungen von Naturbildern, sinnlicher Direktheit und poetischer Unbedingtheit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.