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Daphne

Von

Du siehst, wo sich der Waldhang weitet,
die Espe zitternd niederwehn,
dem Brand des Himmels hingebreitet,
von Gras und Habichtskraut begleitet,
die ähnlich in den Winter gehn.

Doch auch das Dunkel einer Mauer,
wenn sie am Saum der Städte lebt,
berührt oft ihrer Krone Schauer,
an dem du dieser Zeiten Trauer
ermissest, da sie grundlos bebt.

Sie wurzelt mühsam im Gerölle,
das sie verfolgt, indem es hält –
und vor Begrenzung, Maß und Kelle
flieht Daphne in das Laubgefälle
und steht am Rande unsrer Welt.

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Gedicht: Daphne von Elisabeth Langgässer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Daphne“ von Elisabeth Langgässer thematisiert das Thema der Flucht vor Begrenzung und das Streben nach Freiheit. Zu Beginn wird die Szenerie eines Waldes beschrieben, in dem sich die Natur in ihrer Widersprüchlichkeit zeigt – einerseits das „zitternde“ Bild der Espe, die dem „Brand des Himmels“ ausgesetzt ist, andererseits das sanfte Bild von Gras und Habichtskraut, die den Winter überdauern. Diese Naturbilder bilden einen Kontrast zu Daphnes innerer Unruhe und ihrem Streben nach Befreiung.

Das Bild des Waldes, der den Übergang in den Winter verkörpert, deutet auf den unausweichlichen Zyklus von Leben und Tod hin, doch Daphne scheint sich diesem zu entziehen. Sie wird als eine Figur beschrieben, die dem natürlichen Lauf der Dinge zu entfliehen sucht, indem sie sich in das „Laubgefälle“ flüchtet. Das „Habichtskraut“ und die „Espe“ symbolisieren die ständige Bedrohung, der sie sich ausgesetzt sieht, und gleichzeitig auch den natürlichen Widerstand, den sie zu überwinden versucht.

Der zweite Abschnitt des Gedichts bringt eine metaphorische Wendung, indem es die „Mauer“ und die „Krone“ als Symbole für die Begrenzung und die Trauer der Gesellschaft einführt. Das Bild der Mauer am „Saum der Städte“ steht für die starren Strukturen der Zivilisation, die das individuelle Streben nach Freiheit und Entfaltung einschränken. Die „Krone“ der Mauer verweist auf den Zwang zur Anpassung an gesellschaftliche Normen und die „Trauer“ als Ausdruck von Daphnes innerer Unfreiheit.

Daphne, als eine Figur, die sich in der griechischen Mythologie in einen Lorbeerbaum verwandelt, symbolisiert auch in diesem Gedicht die Flucht vor einem Leben, das ihr die „Kelle“ des Schicksals aufzwängen will. Ihre Flucht in das „Laubgefälle“ und das „Rande unsrer Welt“ verdeutlicht das Streben nach einem Ort der Freiheit und Ungebundenheit – ein Ort jenseits der menschlichen Begrenzung.

Das Gedicht thematisiert auf poetische Weise die Idee der Flucht vor gesellschaftlicher Enge und die Sehnsucht nach einem Raum der Selbstbestimmung. Daphne steht als Symbol für den Widerstand gegen die Einschränkungen des Lebens und die Suche nach einer Form der Freiheit, die in der Natur und im Individuum selbst zu finden ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.