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Eins und zwei

Von

Warum, o Mutter, o Natur,
Gabst deinem Sohn, dem Menschen nur
Ein Herz du, um in süßen Trieben
Geliebt zu werden und zu lieben,
Und einen Mund nur, um zu küssen,
Und Wonn′ und Seligkeit zu saugen;
Jedoch zum Weinen, ach! – zwei Augen? –

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Gedicht: Eins und zwei von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Eins und zwei“ von Anastasius Grün ist eine kurze, aber tiefgründige Reflexion über die menschliche Existenz, die Natur der Liebe und des Leids. Der Dichter stellt in Form einer rhetorischen Frage die Ungleichheit zwischen Freude und Schmerz in den Mittelpunkt, indem er die Frage nach der Verteilung der Organe zur Liebe (ein Herz und ein Mund) und des Leids (zwei Augen) stellt.

Die zentrale Frage „Warum, o Mutter, o Natur…“ deutet auf eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens und der Ungleichheit in der menschlichen Erfahrung hin. Die Mutter Natur, als Metapher für die Schöpferin oder die natürliche Ordnung, wird für ihre Entscheidungen und ihre Ausstattung des Menschen mit Emotionen und Ausdrucksformen zur Rechenschaft gezogen. Der Dichter scheint die Natur zu hinterfragen, warum sie dem Menschen Werkzeuge der Freude, aber auch doppelt so viele Werkzeuge des Leids gegeben hat.

Die ersten vier Zeilen beschreiben die Freuden des Lebens: die Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden („…um in süßen Trieben / Geliebt zu werden und zu lieben“) sowie die Möglichkeit, Zärtlichkeit durch das Küssen und das Erfahren von Glückseligkeit („Und einen Mund nur, um zu küssen, / Und Wonn‘ und Seligkeit zu saugen“) auszudrücken. Die Verwendung von „nur“ unterstreicht die scheinbare Knappheit der Werkzeuge für die Freude, während das „ach!“ in der letzten Zeile einen Kontrast zur Freude darstellt.

Der Höhepunkt des Gedichts, die letzte Zeile, „Jedoch zum Weinen, ach! – zwei Augen?“, drückt die Unausgewogenheit aus. Der Dichter findet die zwei Augen zum Weinen unverhältnismäßig zur Anzahl der Werkzeuge der Freude. Die Tragik liegt in der Tatsache, dass der Mensch doppelt so viele Werkzeuge des Leids wie der Freude hat. Die scheinbar einfache Frage birgt also eine tiefe Melancholie und die Erkenntnis, dass Schmerz und Trauer untrennbar mit dem Menschsein verbunden sind. Das Gedicht ist eine kluge Betrachtung des menschlichen Zustands, der von Freude und Leid geprägt ist, wobei das Leid scheinbar in der Oberhand ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.