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Leben und Tod

Von

Sucht das Leben wohl den Tod?
Oder sucht der Tod das Leben?
Können Morgenröte und das Abendrot
Sich auf halbem Weg die Hände geben?

Die stille Nacht tritt mitten ein,
Die sich der Liebenden erbarme!
Sie winkt: es flüstert: „Amen!“ – Mein und dein!
Da fallen sie sich zitternd in die Arme.

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Gedicht: Leben und Tod von Eduard Mörike

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Leben und Tod“ von Eduard Mörike stellt die Frage nach der komplexen und vielleicht paradoxen Beziehung zwischen Leben und Tod. Zu Beginn wird eine philosophische Reflexion angestoßen: „Sucht das Leben wohl den Tod? Oder sucht der Tod das Leben?“ Diese Frage stellt das klassische Verhältnis zwischen Leben und Tod in den Raum und fordert den Leser zu einem tieferen Nachdenken über die wechselseitige Abhängigkeit und das Spannungsfeld zwischen beiden Konzepten auf. Die Idee, dass sich Leben und Tod in einem ständigen Wechselspiel befinden, wird durch das Bild von „Morgenröte und Abendrot“ verdeutlicht. Beide Phänomene, die den Beginn und das Ende des Tages symbolisieren, könnten metaphorisch als parallele Darstellungen von Leben und Tod verstanden werden.

Die zweite Strophe bringt eine gewisse Ruhe und Akzeptanz in diese Fragestellung. Die „stille Nacht“ tritt ein, eine Zeit des Übergangs und der Kontemplation, in der der Tod, als eine Art sanfte und liebende Umarmung, ins Leben integriert wird. Die Nacht, die oft als Symbol für den Tod angesehen wird, „tritt mitten ein“ und „erbarme“ sich der Liebenden, was den Tod in eine fürsorgliche, vielleicht sogar tröstliche Rolle versetzt. Diese Darstellung des Todes als eine ruhige, nicht-bedrohliche Präsenz deutet darauf hin, dass Leben und Tod nicht nur in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, sondern auch eine tiefe, fast harmonische Verbindung haben.

Das Flüstern von „Amen“ und der folgende Moment, in dem sich die Liebenden „zitternd in die Arme“ fallen, verstärken die Vorstellung von Tod und Leben als untrennbare Partner. „Amen“ als Abschluss eines Gebets oder einer Zeremonie kann sowohl das Ende des Lebens als auch den Beginn einer neuen Phase symbolisieren. Die Zitterndkeit der Umarmung der Liebenden lässt den Moment der Vereinigung von Leben und Tod als einen intensiven und emotionalen Akt erscheinen, in dem der Tod nicht als Feind, sondern als ein Teil des Lebens selbst wahrgenommen wird.

Mörike kombiniert in diesem Gedicht eine philosophische Betrachtung mit einer tief emotionalen Darstellung, die das Leben und den Tod als miteinander verbundene Aspekte des menschlichen Daseins zeigt. Durch die sanfte, fast mystische Sprache wird der Tod nicht als Bedrohung, sondern als ein natürlicher und vielleicht sogar tröstlicher Teil des Lebens dargestellt. Das Gedicht fordert dazu auf, Leben und Tod nicht als Gegensätze zu betrachten, sondern als zwei Seiten einer einzigen, untrennbaren Realität.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.