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Denk‘ es, o Seele

Von

Ein Tännlein grünet, wo,
Wer weiß! im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk‘ es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.

Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntren Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh‘
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe

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Gedicht: Denk‘ es, o Seele von Eduard Mörike

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Denk‘ es, o Seele“ von Eduard Mörike beschäftigt sich mit der Vergänglichkeit des Lebens und dem tiefen, fast mystischen Wunsch nach einer spirituellen Fortdauer über den Tod hinaus. Die erste Strophe, in der von einem „Tännlein“ und einem „Rosenstrauch“ die Rede ist, die beide an einem unbekannten Ort wachsen, steht symbolisch für die Unklarheit und Geheimnisse des Lebens und des Todes. Der „Tann“ und der „Rosenstrauch“ sind Bilder für das Leben, das in der Natur weitergeht, doch der genaue Ort bleibt ein Rätsel – ebenso wie das, was nach dem Tod kommt.

Der Vers „Denk‘ es, o Seele, / Auf deinem Grab zu wurzeln / Und zu wachsen“ ist ein poetischer Ausdruck des Wunsches, dass die Seele in irgendeiner Form weiterexistiert. Mörike setzt hier die Idee einer unsterblichen Fortführung des Seins um, indem er die Seele metaphorisch in der Natur verankert, die weiter wächst und sich vermehrt. Dies könnte als Ausdruck eines Wunsches nach Erneuerung und fortwährender Präsenz auch über den Tod hinaus gedeutet werden, ein Glaube an die Verbindung von Leben und Tod durch Natur und Spiritualität.

In der zweiten Strophe beschreibt der Dichter zwei „schwarze Rößlein“, die auf der Wiese grasen und zur Stadt zurückkehren. Diese Bilder wirken zunächst wie Szenen aus einem ruhigen, alltäglichen Leben, doch durch den Bezug zur „Leiche“ des Sprechers wird eine tiefere Bedeutung erschlossen. Die „schwarzen Rößlein“ könnten die letzten Begleiter des Lebens symbolisieren, die die Reise des Körpers zum letzten Ziel, dem Grab, antreten. Es ist ein Moment der Übergangsritualisierung, in dem der Tod nicht nur als Ende, sondern auch als etwas Unvermeidliches und nahezu Schönes erscheint.

Der letzte Vers, der von dem „blitzenden Eisen“ an den Hufen der Pferde spricht, lässt die Vorstellung von einem bevorstehenden Abschied und einer letzten Reise auf dramatische Weise aufleben. Das Eisen, das hier als „blitzend“ beschrieben wird, könnte auf den Übergang von der irdischen Existenz zum Tod hinweisen, der mit einer Art finaler, unerbittlicher Bewegung verbunden ist. Mörike nutzt diese Bilder, um die Idee der Verwandlung und der Endlichkeit zu verkörpern, während zugleich die Möglichkeit einer metaphysischen Fortsetzung im Raum bleibt. Das Gedicht schließt den Kreis zwischen Leben und Tod und lässt Raum für spirituelle Überlegungen zu dem, was nach dem Ende des Körpers kommt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.