Wenn du die Kinder ermahnst, so meinst du, dein Amt sei erfüllet.
Weißt du, was sie dadurch lernen? – Ermahnen, mein Freund!
Die unverhoffte Wirkung
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die unverhoffte Wirkung“ von Heinrich von Kleist ist eine kurze, prägnante Reflexion über die tatsächliche Wirkung von Ermahnungen, insbesondere im Umgang mit Kindern. Es präsentiert in zwei Zeilen eine überraschende Wendung, die die Konsequenzen von erzieherischen Appellen hinterfragt und eine tiefere Erkenntnis freilegt.
Die erste Zeile, „Wenn du die Kinder ermahnst, so meinst du, dein Amt sei erfüllet.“, scheint auf den ersten Blick eine gängige Erziehungspraxis zu beschreiben. Der Erzählende vermittelt den Eindruck, dass das Geben von Ermahnungen als eine abgeschlossene Aufgabe, als die Erfüllung einer Pflicht verstanden wird. Der Erziehende glaubt, durch das Ermahnen bereits einen positiven Einfluss ausgeübt zu haben. Diese Haltung deutet auf ein oberflächliches Verständnis von Erziehung hin, das sich mit dem Aussprechen von Worten begnügt.
Die zweite Zeile, „Weißt du, was sie dadurch lernen? – Ermahnen, mein Freund!“, stellt diese Annahme jedoch auf den Kopf. Hier wird die eigentliche Wirkung der Ermahnungen enthüllt. Kinder lernen offenbar nicht in erster Linie das, was ihnen gesagt wird, sondern die Ermahnung selbst – eine Art Muster, wie man sich in einer bestimmten Situation verhalten sollte. Das Gedicht legt nahe, dass Kinder durch das Ermahnt-Werden lernen, selbst zu ermahnen. Sie lernen nicht, das Richtige zu tun, sondern die Geste des Ermahnens zu imitieren, was möglicherweise zu einer endlosen Kette von Ermahnungen führt, ohne dass sich tatsächliche Verhaltensänderungen einstellen.
Kleists Gedicht ist somit eine Kritik an einer rein verbalen Erziehung, die sich auf das Aussprechen von Worten beschränkt. Es weist auf die Gefahr hin, dass Kinder durch das reine Ermahnt-Werden lernen, Ermahnungen zu wiederholen, anstatt das eigentliche Ziel der Erziehung, nämlich das Erlernen von tugendhaftem Verhalten, zu erreichen. Die knappe Form des Gedichts verstärkt die Wirkung der Erkenntnis: In der Kürze liegt die Würze, und die Pointe entfaltet ihre volle Kraft. Die Botschaft ist klar und prägnant: Ermahnen ist nicht gleich Erziehen.
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Lizenz und Verwendung
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