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Die Liebenden

Von

Sieh, wie sie zueinander erwachsen:
in ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Laß sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.

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Gedicht: Die Liebenden von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Liebenden“ von Rainer Maria Rilke beschreibt die tiefe Vereinigung und die transformative Kraft der Liebe. Es konzentriert sich auf das innere Erleben der Liebenden, auf ihre Verschmelzung und die Entstehung einer neuen, geistigen Einheit. Rilke verwendet Bilder, die sowohl auf körperliche Nähe als auch auf eine transzendente Erfahrung anspielen. Die Verse sind prägnant und voller symbolischer Bedeutung, was die Intensität und Erhabenheit der beschriebenen Liebe unterstreicht.

In den ersten vier Zeilen wird die körperliche und emotionale Verschmelzung der Liebenden in den Vordergrund gerückt. „Sieh, wie sie zueinander erwachsen“ deutet auf einen Prozess der gegenseitigen Veränderung und des Wachstums durch die Liebe hin. Die Metapher von den „Adern“ die zu „Geist“ werden, symbolisiert die Vergeistigung des Körpers und die Überwindung materieller Grenzen. Die „Gestalten“ die „beben wie Achsen“ erzeugen ein Bild von Bewegung und Dynamik, das die Leidenschaft und Intensität der Liebe widerspiegelt. Das „heiß und hinreißend kreist“ verstärkt diesen Eindruck von Sog und Unaufhaltsamkeit.

Die zweite Strophe setzt diesen Prozess fort und erweitert ihn um eine existenzielle Dimension. Die Liebenden werden als „Dürstende“ dargestellt, die nach Erfüllung suchen, und als „Wache“, die nach tieferem Verständnis streben. Die Verben „bekommen zu trinken“ und „bekommen zu sehn“ implizieren eine Erfüllung ihrer Sehnsüchte durch die Vereinigung. Hier geht es nicht nur um physische Nähe, sondern um die Erfüllung spiritueller Bedürfnisse. Die Aufforderung „Laß sie ineinander sinken“ drückt den Wunsch nach völliger Hingabe und Auflösung des Ichs im Anderen aus.

Die Schlusspointe des Gedichts, „um einander zu überstehn,“ ist von großer Tragweite. Sie deutet an, dass die Liebe nicht nur eine Erfahrung der Vereinigung, sondern auch eine Quelle der Stärke und des Überlebens ist. Durch die Verschmelzung finden die Liebenden eine Kraft, die ihnen hilft, die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen. Rilkes Gedicht feiert die Liebe als eine transformative und transzendente Kraft, die über die Grenzen des Individuellen hinausgeht und eine tiefere, spirituelle Einheit schafft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.