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Die Klosterjungfrau

Von

Nur wenig rasche, schnell gewagte Schritte,
Und knarrend öffnet sich die Pforte hier;
Es ist geschehn – in seine düstre Mitte
Fasst mich der Vorhof, wehe, wehe mir!

Vom frohen Leben ewig, ach, geschieden,
Umfängt der Jugend schauerliches Grab
Mich grausend nun, und Freude, Glück und Frieden
Sinkt abgestorben und verblüht hinab.

Die Schlösser rasseln – dieses Himmels Bläue
Von düstern Linden schwermuthsvoll beschränkt,
Erregt der Hoffnung Hochgefühl aufs neue
Das sich so gern in bange Busen senkt.

Hinweg, hinweg! ach über jene Schwelle,
Die bebend nun mein matter Fuss betritt,
Da fluthet der Verzweiflung dunkle Welle,
Und nimmt der Hoffnung letzten Schimmer mit.

Ich bin hinüber, und mit dumpfem Klange
Verschliesst sich hinter mir das Gitterthor,
Und in dem hochgewölbten, finstern Gange
Schwebt ahnend mir die trübe Zukunft vor.

Wo ist die Zelle, dass ich einsam weine?
Sey mir gegrüsst, Du trauriges Asyl!
Ach, in der Andacht seeligem Vereine
Mit stiller Wehmuth, lindre mein Gefühl!

Eng′ ist Dein Raum – der Sonne warmer Schimmer
Erheitert nie die graue Dämmerung
Die in Dir waltet, ach und nimmer, nimmer
Strahlt mir des Mondes Licht Beruhigung.

Das schmale Fenster, das mit Eisenstäben,
Gefängnissgleich, verschanzt nach Norden schaut,
Umschleiern wilde, unfruchtbare Reben,
Wohl oft von heissen Thränen schon bethaut.

Da werd′ ich still der Lüfte Kühlung trinken,
Des Tages holdes, mir getrübtes Licht,
Und sinnend weilen, wenn der Sterne Blinken
Sich golden in das Blau des Himmels flicht.

Denn von dem harten Lager scheucht der Kummer,
Der unsichtbar in diesen Mauern thront,
Der Menschheit höchsten Zauber, ach den Schlummer,
Der nicht auf rothgeweinten Augen wohnt.

Dein hehres Bild, Du Hochgebenedeite,
Entflammt zur Andacht den umwölkten Sinn.
Die Jungfrau, die sich Deinem Dienste weihte,
Sinkt betend und ergeben vor Dir hin.

O lösche Du mit Deiner Blicke Strahlen,
Mit Deines Lächelns stiller Heiligkeit,
In meinem Geist der Erde Lust und Qualen,
Wenn sich die Neigung mit der Pflicht entzweit.

Lass mich den Himmel rein und offen schauen,
Den du bewohnst mit Deiner Engelschaar,
Und sende mir das kindliche Vertrauen,
Die fromme Duldung, die Dir eigen war.

Doch lässt sich nicht die heisse Sehnsucht tödten,
Die jetzt noch schmerzlich nach der Welt mich zieht,
So kehr′ in Todesblässe mein Erröthen,
Und heiss′ dem Leben, dass es zu Dir flieht.

Das Grab ist ja die erste dunkle Stufe
Der Himmelsleiter, die uns aufwärts bringt.
O öffne es, Du Heilige, und rufe
Dein Kind zu Dir, das nach Erlösung ringt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Klosterjungfrau von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Klosterjungfrau“ von Charlotte von Ahlefeld ist eine tiefgründige Reflexion über den Eintritt in ein Klosterleben, gefüllt mit Melancholie, Verzweiflung und einer Sehnsucht nach spiritueller Erlösung. Das Gedicht zeichnet den inneren Konflikt der Protagonistin, die sich zwischen der Welt und dem Leben im Kloster entscheiden muss, eindrücklich nach.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt den schmerzlichen Abschied von der Welt. Die „wenig raschen, schnell gewagten Schritte“ und das „knarrende“ Öffnen der Pforte symbolisieren den unwiderruflichen Übergang in ein neues, düsteres Dasein. Die Klostermauern werden als „schauerliches Grab“ der Jugend wahrgenommen, in dem „Freude, Glück und Frieden“ untergehen. Die Protagonistin ist von tiefem Heimweh geplagt, was durch Bilder wie die „düstre Mitte“ und die „Verzweiflung dunkle Welle“ verdeutlicht wird. Die Hoffnung wird durch das Gittertor, das sich hinter ihr verschließt, ausgelöscht, was das Gefühl der Isolation und des Gefangenseins verstärkt.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf das Leben im Kloster selbst. Die Zelle wird als „trauriges Asyl“ bezeichnet, in dem die Protagonistin Trost in der „Andacht“ sucht. Doch selbst in diesem heiligen Raum gibt es Einschränkungen: Das „graue Dämmerung“ und das „schmale Fenster“ mit Eisenstäben symbolisieren die Beschränkungen des Klosterlebens und die Sehnsucht nach Freiheit und dem Licht der Welt. Der Wunsch nach dem Blick auf die Sterne und die „Lüfte Kühlung trinken“ deutet auf die Sehnsucht nach Schönheit und Natürlichkeit hin, die im Klosterleben begrenzt sind.

In den letzten Strophen wendet sich die Protagonistin an die Heilige Jungfrau Maria, die als Symbol der Hoffnung und Erlösung dient. Sie bittet um Hilfe, um die irdischen „Lust und Qualen“ zu überwinden und das Vertrauen und die Hingabe zu erlangen, die für ein erfülltes Leben im Kloster erforderlich sind. Der innere Konflikt zwischen Sehnsucht nach der Welt und dem Wunsch nach spiritueller Erfüllung wird deutlich. Das Gedicht endet mit der Hoffnung auf den Tod als Weg zur Erlösung und zum Eintritt in den Himmel, was die tiefe Verzweiflung und den Wunsch nach Frieden der Protagonistin widerspiegelt.

Insgesamt ist „Die Klosterjungfrau“ ein ergreifendes Gedicht, das die emotionalen Turbulenzen und die spirituelle Suche einer jungen Frau, die sich für das Klosterleben entschieden hat, eindrücklich darstellt. Das Gedicht ist ein Zeugnis für die tiefgreifenden Fragen nach Freiheit, Sinn und Erlösung, die im Spannungsfeld zwischen weltlichen Verlockungen und religiöser Hingabe entstehen. Es ist ein ergreifendes Porträt der menschlichen Seele, gefangen in einem Kampf zwischen dem Wunsch nach weltlichem Glück und der Sehnsucht nach spiritueller Erfüllung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.