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Die Grotte

Von

Mit schaueriger Wonne
Befahr′ im leichten Kahne
Ich die helldunkle Grotte
Unabsehbarer Tiefe,
Die die Natur euch, Helden
Der grauen Vorzeit, prachtvoll
Hier aufgebaut aus zahllos,
Statt Mauern, aneinander
Gedrängten Säulenreihen,
Um ungestört im Kreise
Der Freunde auszuruhen
Vom wilden Sturm der Schlachten.
Nach tausend Jahren steten
Bestrebens, dich, o Grotte,
Entweder unversehret
Im Schooße seiner Wogen
Auf einmal zu begraben;
Oder, allmählig deine
Zahllose Säulenmenge
Zertrümmernd, endlich einmal
Vom Antlitz dieser Insel
Dich spurlos zu verwischen,
Was hat das Meer gewonnen
Mit allem seinem Wüthen?
Nichts, als daß es die Säulen,
Die deinen Eingang zierten,
Mit Müh′ und nur zur Hälfte
Zerbrach, und dieser Grotte
Einst glänzend Estrich etwa
Zwei Fuß hoch jetzt bedecket
Beim höchsten Stand der Wogen.

Warum lebt′ ich nicht damals,
Als Ossian im Kreise
Der horchenden Gefährten
Hier zu der goldnen Harfe
Die Heldenthaten Fingal′s
Und Swaran′s sang, dem Freunde
Und Feinde Lob ertheilend
Mit unparthei′scher Seele!
Singst du von Fillan′s, Oskar′s
Zu frühem Tod, der Söhne
Beraubter Vater! Thränen
Erfüllen mir das Auge:
Denn ich gedenk′ der Brüder,
Die in entfernter, fremder,
Nicht heimathlicher Erde
Vom Kampfe für die Heimath
Nun ruhn, wo weder Mutter
Noch Schwestern ihre Gräber
Besuchen, und mit Blumen,
Von Thränen naß, bei Rückkehr
Des Lenzes, zieren können!

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Gedicht: Die Grotte von Elisabeth Kulmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Grotte“ von Elisabeth Kulmann ist eine tiefgründige Reflexion über die Vergänglichkeit, die Macht der Natur und die Erinnerung an vergangene Heldenzeiten. Es beginnt mit einer Beschreibung der eindrucksvollen Schönheit einer Grotte, die von der Natur geschaffen wurde und als Zufluchtsort für antike Helden diente. Die Autorin verbindet die physische Präsenz der Grotte mit dem Gefühl der Ehrfurcht und dem Respekt vor der Natur, die unaufhörlich danach strebt, diese Strukturen zu bewahren oder zu zerstören.

Der Mittelteil des Gedichts widmet sich der Auseinandersetzung mit der Macht des Meeres und dessen Bemühungen, die Grotte zu zerstören. Die Zeilen verdeutlichen die unaufhaltsame Kraft der Natur, die über Jahrtausende hinweg versucht, die Grotte zu verschlingen oder zu verändern. Trotz all dieser Bemühungen, die durch „wütendes“ Verhalten des Meeres dargestellt werden, scheint die Natur letztendlich nur einen Teil der Grotte zerstört zu haben. Die Autorin thematisiert die Sinnlosigkeit dieser Zerstörung und lenkt den Fokus auf die bleibende Schönheit und Bedeutung der Grotte.

Der zweite Teil des Gedichts führt eine melancholische Note ein, indem die Autorin ihre Sehnsucht nach der Vergangenheit zum Ausdruck bringt, insbesondere nach der Zeit, in der Ossian in der Grotte sang. Sie visualisiert eine Szene, in der Heldenlieder vor einem Publikum vorgetragen werden, was eine Verbindung zur Erinnerung an die Helden der Vergangenheit herstellt. Die Autorin sehnt sich danach, Teil dieser glorreichen Epoche zu sein, und bedauert die Ungerechtigkeit des Todes, der selbst Helden nicht verschont.

Das Gedicht gipfelt in einer ergreifenden Reflexion über den Verlust von Brüdern, die in fernen Ländern für ihre Heimat starben. Diese Zeilen sind von tiefer Trauer geprägt und drücken das Gefühl der Entfremdung aus, das durch den Verlust geliebter Menschen entsteht, die in fremder Erde begraben liegen. Die Autorin trauert um ihre Brüder und beklagt die Tatsache, dass sie nicht von ihren Angehörigen am Grab besucht und mit Blumen geschmückt werden können. Dies ist ein tief bewegendes Symbol für die Tragödie des Krieges und die schmerzliche Trennung von geliebten Menschen.

Insgesamt ist „Die Grotte“ ein vielschichtiges Gedicht, das die Schönheit der Natur, die Vergänglichkeit der Zeit, die Bedeutung der Erinnerung und die Tragödie des Verlustes verbindet. Kulmann verwendet beeindruckende Bilder, um die Leser in eine Welt voller Ehrfurcht, Trauer und Sehnsucht zu versetzen. Das Gedicht ist eine Hommage an die Vergangenheit und eine Mahnung, die Schönheit und Bedeutung der Gegenwart zu schätzen, da auch diese vergänglich ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.