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Die Düte

Von

Seine hohe, spitze Kappe,
das Symbol erhabner Narrheit,
hat Pierrot im Hochzeitsrausche,
in des Festes Lärm verloren!

Jammernd suchen alle Gäste
unter Tischen, Schränken, Stühlen
seine hohe, spitze Kappe,
das Symbol erhabner Narrheit.

– Nur Pierrot, in sich versunken,
sitzt am Tisch und dreht sich langsam,
ernsthaft eine grosse Düte
aus dem schönen neuen Trauschein ..
Seht: die hohe, spitze Kappe!

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Gedicht: Die Düte von Otto Erich Hartleben

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Düte“ von Otto Erich Hartleben beschreibt auf humorvolle und zugleich tiefgründige Weise den Verlust der Narrenkappe, des Symbols der erhabenen Narrheit, und die anschließende Transformation des Pierrot. Das Gedicht ist in zwei Strophen aufgebaut, die den Verlust der Kappe und die Suche danach schildern, bevor es in der dritten Strophe eine unerwartete Wendung nimmt.

Die ersten beiden Strophen etablieren eine Szene des Chaos und der Verwirrung. Der Verlust der Kappe, des wichtigsten Identifikationsmerkmals des Pierrot, ereignet sich in der lebhaften Atmosphäre einer Hochzeit. Die Gäste suchen fieberhaft danach, was die Bedeutung dieses Verlustes unterstreicht. Das wiederholte Nennen der „hohen, spitzen Kappe“ betont ihren symbolischen Wert. Sie steht für die Narrheit, aber auch für die Freiheit und das Anderssein, die dem Pierrot innewohnen. Der Verlust dieser Kappe deutet auf einen Verlust der Identität oder zumindest auf eine Veränderung hin.

Die dritte Strophe enthüllt die überraschende Lösung und die eigentliche Pointe des Gedichts. Pierrot selbst sitzt „in sich versunken“ und bastelt aus dem Trauschein, dem Dokument des Eheversprechens, eine „grosse Düte“. Der Begriff „Düte“ (vermutlich in Anlehnung an eine Papiertüte) ist hier entscheidend: Es ist ein provisorischer Ersatz für die verlorene Kappe. Die Tatsache, dass Pierrot selbst einen Ersatz kreiert, deutet auf eine innere Transformation hin. Er scheint die Regeln des gesellschaftlichen Rahmens, in dem er sich befindet, zu akzeptieren, indem er ein Zeichen dafür schafft, dass er sich anpasst.

Hartleben verwendet in diesem Gedicht subtile Ironie. Der Verlust der Narrenkappe geschieht ausgerechnet in einem Moment der Freude und des Feierns, was die Absurdität des Lebens und die Vergänglichkeit menschlicher Ideale widerspiegelt. Pierrots Reaktion, die ergreifende „Düte“ zu formen, wirft Fragen über die Natur des Narrentums, der Freiheit und der Anpassung auf. Das Gedicht suggeriert, dass die wahre Narrheit nicht in einer äußeren Form, sondern in der inneren Haltung und der Fähigkeit zur Selbstironie liegt. Es endet mit dem ironischen Appell „Seht: die hohe, spitze Kappe!“, was die Absurdität des Verlusts und des Ersatzes betont.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.