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Die altdeutschen Gemälde

Von

An Sulpiz und Melchior Boisserée von Köln.

Heidelberg, Juli 1814.

Mir winkt ein alter schöner Saal,
Zwei Brüder haben ihn gebaut,
Da hab′ ich in dem reinsten Strahl
Mein Vaterland geschaut.

Das war in jener trüben Zeit
Ein holder stiller Wallfahrtsort,
Wo sich der Väter Herrlichkeit
Verbarg im sichern Port.

Der Märtyrer und Heil′gen Schaar,
Viel Helden Gottes treu und kühn,
Die zarten Frauen mild und klar,
Die für den Heiland glühn;

Manch′ Bild der allerreinsten Magd,
Wie Gottes Engel ihr erschien,
Bald wie sie um den Sohn geklagt,
Bald wie die Weisen knien.

Was frommer Fleiß und keusche Kunst
Gepflegt in alter deutscher Welt,
Ward hier nach Gottes Rath und Gunst
Gerettet aufgestellt.

Es kam wol manches treue Herz
Und sah die lieben Bilder an,
Gesegnet sei der tiefe Schmerz,
Der da in ihm begann.

O Liebesbrunst zum Vaterland
Und zu der alten Heldenzeit,
Du bittre Lust, und Gottes Hand
Habt uns vom Joch befreit.

Nun schauen wir euch anders an,
Ihr sprechet uns auch fröhlich zu,
Ihr Bilder, doch ein rechter Mann
Begehrt noch keine Ruh.

Ihr müsset erst an Künstler Hand
Durch unsre freien Länder gehn,
Man soll an keiner deutschen Wand
Mehr Heidenbilder sehn.

Ihr lieben Heil′gen kommt heraus
Und segnet uns, wir flehen euch,
Ihr holden Mägdlein schmückt das Haus,
Ihr Ritter schützt das Reich!

Du steh′ noch lange, Bildersaal,
Ihr Brüder, übet euer Amt,
Daß an der frommen Vorzeit Strahl
Sich manche Brust entflammt!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die altdeutschen Gemälde von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die altdeutschen Gemälde“ von Max von Schenkendorf ist eine Lobpreisung der Sammlung altdeutscher Kunst der Brüder Boisserée, die als Zufluchtsort und Quelle nationaler Identität in einer Zeit politischer Unsicherheit dient. Das Gedicht, geschrieben in Heidelberg im Juli 1814, spiegelt die Begeisterung und den Patriotismus wider, die in Deutschland nach den Napoleonischen Kriegen herrschten.

Schenkendorf beschreibt den Saal, in dem die Gemälde ausgestellt sind, als „schön“ und „rein“, eine Zuflucht vor der „trüben Zeit“. Die Gemälde selbst, die Heiligen, Märtyrer und die Jungfrau Maria darstellen, werden als Symbole der deutschen Geschichte und Tradition verehrt. Durch die Betrachtung dieser Bilder erlebt der Betrachter eine Wiederentdeckung des Vaterlandes, ein Gefühl der Zugehörigkeit und eine Wiederbelebung der nationalen Identität. Die „Liebesbrunst zum Vaterland“ und die „alte Heldenzeit“ werden als treibende Kräfte für die Befreiung vom „Joch“ gesehen, ein klarer Hinweis auf die politische Situation der Zeit.

Das Gedicht ist nicht nur eine Hommage an die Kunst, sondern auch ein Aufruf zur weiteren Verbreitung und Würdigung der deutschen Kunst. Die Gemälde sollen durch die „freien Länder“ wandern, und die „Heidenbilder“ (also nicht-christliche Kunst) sollen verdrängt werden. Schenkendorf wünscht sich, dass die Bilder als Inspirationsquelle dienen und die „Brust“ der Menschen entflammen, wodurch ein Gefühl der nationalen Einheit und des Stolzes erzeugt wird. Der Dichter wendet sich direkt an die Heiligen, Mägdlein und Ritter, um Segen und Schutz für das Reich zu erbitten, und betont damit die Verbindung zwischen Kunst, Religion und nationaler Identität.

Die Verwendung von Begriffen wie „frommer Fleiß“ und „keusche Kunst“ unterstreicht die religiöse und moralische Bedeutung, die den Gemälden beigemessen wird. Das Gedicht ist durchdrungen von einem starken Glauben an die Kraft der Kunst, das Bewusstsein für die eigene Geschichte zu schärfen und die Menschen zu patriotischem Handeln zu inspirieren. Schenkendorf drückt die Hoffnung aus, dass die Kunst die Menschen dazu bringt, ihr Vaterland zu lieben und sich für seine Werte einzusetzen.

Insgesamt ist „Die altdeutschen Gemälde“ ein Zeugnis der romantischen Begeisterung für die Vergangenheit und der Sehnsucht nach einer starken nationalen Identität, die in den Jahren nach den Napoleonischen Kriegen in Deutschland vorherrschte. Es ist ein Gedicht über die transformative Kraft der Kunst, die dazu beitragen kann, das Bewusstsein für die Geschichte zu wecken und die Menschen zu patriotischem Handeln zu inspirieren. Die Sammlung der Boisserée-Brüder wird hier als ein Eckpfeiler der nationalen Identität und ein Symbol der Hoffnung für die Zukunft des deutschen Volkes gefeiert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.