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Die Musik kommt

Von

Klingkling, bumbum und tschingdada,
zieht im Triumph der Perserschah?
Und um die Ecke brausend bricht’s
wie Tubaton des Weltgerichts,
voran der Schellenträger.
Brumbrum, das große Bombardon,
der Beckenschlag, das Helikon,
die Pikkolo, der Zinkenist,
die Türkentrommel, der Flötist,
und dann der Herre Hauptmann.

Der Hauptmann naht mit stolzem Sinn,
die Schuppenketten unterm Kinn,
die Schärpe schnürt den schlanken Leib,
beim Zeus! das ist kein Zeitvertreib,
und dann die Herren Leutnants.

Zwei Leutnants, rosenrot und braun,
die Fahne schützen sie als Zaun,
die Fahne kommt, den Hut nimm ab,
der sind wir treu bis an das Grab!
und dann die Grenadiere.

Der Grenadier im strammen Tritt,
in Schritt und Tritt und Tritt und Schritt,
das stampft und dröhnt und klappt und flirrt,
Laternenglas und Fenster klirrt,
und dann die kleinen Mädchen.

Die Mädchen alle, Kopf an Kopf,
das Auge blau und blond der Zopf,
aus Tür und Tor und Hof und Haus
schaut Mine, Trine, Stine aus,
vorbei ist die Musike.

Klingkling, tschingtsching und Paukenkrach,
noch aus der Ferne tönt es schwach,
ganz leise bumbumbumbum tsching;
zog da ein bunter Schmetterling,
tschingtsching, bum, um die Ecke?

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Gedicht: Die Musik kommt von Detlev von Liliencron

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Musik kommt“ von Detlev von Liliencron ist eine rhythmisch lebendige und bildhafte Darstellung eines militärischen Musikzugs, der durch eine Stadt zieht. Mit onomatopoetischen Lauten und schnellen Versfolgen vermittelt der Text nicht nur das Hörerlebnis der Marschmusik, sondern auch den Eindruck eines gesellschaftlichen Ereignisses, das unterschiedlichste Reaktionen im Publikum hervorruft.

Die erste Strophe eröffnet mit einer Reihe lautmalerischer Klänge – „Klingkling, bumbum und tschingdada“ – die sofort den akustischen Eindruck einer Militärkapelle erzeugen. Diese Töne suggerieren nicht nur Musik, sondern auch Bewegung, Macht und Pracht. Die Frage, ob der „Perserschah“ vorbeizieht, deutet auf den fremdländischen Prunk und die exotisch-theatralische Wirkung solcher Aufmärsche hin. Der „Schellenträger“ vorneweg und die Aufzählung der Instrumente verstärken das Gefühl einer kraftvollen, fast übertriebenen Inszenierung.

In den folgenden Strophen wird das Militärpersonal beschrieben: der Hauptmann mit stolzer Haltung, die jungen Leutnants mit idealisierten äußeren Merkmalen und schließlich die Grenadiere im Gleichschritt. Das Gedicht erzeugt eine Mischung aus Faszination und Ironie, denn der militärische Ernst steht in Kontrast zur fast kindlich-verzückten Darstellung der Zuschauerinnen. Vor allem die Reaktion der „kleinen Mädchen“, die mit glänzenden Augen aus Fenstern und Türen schauen, verweist auf die Wirkung von Uniform und Marschmusik auf die zivile Bevölkerung – eine Mischung aus Schwärmerei, Tradition und flüchtiger Romantik.

Mit dem Abziehen der Musik in der letzten Strophe klingt auch das Spektakel langsam ab. Die Geräusche verhallen, und es bleibt nur ein poetisches Echo zurück – „tschingtsching, bum, um die Ecke“. Die letzte Zeile, in der der vorbeiziehende Zug mit einem „bunten Schmetterling“ verglichen wird, setzt einen überraschend zarten, beinahe ironisch-verträumten Schlusspunkt. Der militärische Aufmarsch, zuvor so wuchtig und imposant, wird hier zu etwas Flüchtigem, Spielerischem – fast bedeutungslos wie ein Insekt, das einfach vorbeifliegt.

Liliencron gelingt mit diesem Gedicht eine meisterhafte Verbindung von Klang, Bewegung und Beobachtung. Er nutzt die Musik nicht nur als Motiv, sondern als Strukturprinzip des Gedichts selbst. Gleichzeitig schwingt in der lebhaften Beschreibung eine subtile Kritik oder zumindest Distanz zur martialischen Darstellung mit – das Militär wird als Spektakel gezeigt, das zwar Eindruck macht, aber letztlich auch schnell vergeht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.