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Der Handkuß

Von

Viere lang,
Zum Empfang,
Vorne Jean,
Elegant,
Fährt meine süße Lady.

Schilderhaus,
Wache raus.
Schloßportal,
Und im Saal
Steht meine süße Lady.

Hofmarschall.
Pagenwall.
Sehr graziös,
Merveillös
Knickst meine süße Lady.

Königin,
Hoher Sinn.
Deren Hand,
Interessant,
Küßt meine süße Lady.

Viere lang,
Vom Empfang,
Vorne Jean,
Elegant,
Kommt meine süße Lady.

Nun wie war’s
Heut bei Zars?
Ach, ich bin
Noch ganz hin,
Haucht meine süße Lady.

Nach und nach,
Allgemach,
Ihren Mann
Wieder dann
Kennt meine süße Lady.

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Gedicht: Der Handkuß von Detlev von Liliencron

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Handkuß“ von Detlev von Liliencron ist eine pointierte, ironisch angehauchte Miniatur über höfische Etikette, weibliche Bewunderung und die charmant-absurde Wirkung zeremoniellen Glanzes. In knappen, rhythmisch präzisen Versen beschreibt Liliencron die Bewegungen einer adligen Dame zwischen Auftritt, Audienz und Rückkehr – stets mit einem Augenzwinkern und einem feinen Gespür für das Komische im Gesellschaftlichen.

Die wiederkehrende Struktur der Strophen mit ihren kurzen, lautmalerischen Zeilen erzeugt einen tänzelnden, fast musikalischen Rhythmus. Dieser Rhythmus ahmt den höfischen Ablauf nach: der Wagen fährt vor, die Wache tritt heraus, ein prächtiger Empfang folgt – alles ist durchinszeniert, von „Jean“ bis „Pagenwall“. Das lyrische Ich bleibt dabei im Hintergrund; im Zentrum steht die „süße Lady“, die durch äußeren Glanz und innere Ergriffenheit beschrieben wird.

Das zentrale Ereignis – der Handkuss einer Königin – wird zur Höhepunktserfahrung. Die Lady, offenbar selbst aus gutem Haus, ist dennoch so bewegt, dass sie später kaum in der Lage ist, ihre Aufregung zu verbergen. Ihre Antwort auf die Frage, wie es beim „Zar“ war, wirkt verträumt und leicht benommen – sie haucht: „Ach, ich bin / Noch ganz hin“. Diese Formulierung entlarvt liebevoll den Reiz des Glamours, der sie überwältigt hat.

Der Schluss bringt die Pointe: Erst „nach und nach“, „allgemach“ erkennt die Lady ihren eigenen Ehemann wieder. Diese Überzeichnung karikiert höfische Faszination, ohne ins Groteske zu kippen. Stattdessen wirkt das Gedicht wie ein liebevoller Spott auf die Schwärmerei für royale Zeremonien – und zugleich wie eine kleine Studie über die Wirkung von Repräsentation, Rang und rituellem Zauber.

„Der Handkuß“ ist ein sprachlich reduziertes, aber raffiniert gebautes Gedicht, das durch seinen rhythmischen Aufbau, seine Wiederholungen und seine ironische Brechung besticht. Liliencron gelingt es hier, mit minimalen Mitteln ein gesellschaftliches Szenario zu entfalten – ein kleines, elegantes Kabinettstück über Glanz und Verzauberung in höfischer Kulisse.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.