Heut bin ich in der Laune
Dir alles zu gewähren:
Sag′ alle deine Wünsche,
Ich will sie all′ erfüllen.
Ich werde dein Erbieten,
O Schicksal, nicht mißbrauchen:
Zum Glücklichsein bedarf ich
Nur Brot und Ruhm, nichts weiter.
Heut bin ich in der Laune
Dir alles zu gewähren:
Sag′ alle deine Wünsche,
Ich will sie all′ erfüllen.
Ich werde dein Erbieten,
O Schicksal, nicht mißbrauchen:
Zum Glücklichsein bedarf ich
Nur Brot und Ruhm, nichts weiter.
Das Gedicht „Des Mädchens Wünsche“ von Elisabeth Kulmann ist ein kurzes, prägnantes Gedicht, das sich mit der Thematik von Wünschen, Bescheidenheit und der Definition von Glück auseinandersetzt. Es präsentiert einen Dialog, oder vielmehr eine Selbstreflexion, in der die Protagonistin scheinbar die Gelegenheit erhält, ihre Wünsche zu äußern. Die eröffnende Zeile „Heut bin ich in der Laune / Dir alles zu gewähren“ suggeriert eine Art göttliche oder schicksalhafte Macht, die ihr gegenübertritt und ihr Angebot unterbreitet.
Der zweite Teil des Gedichts, die eigentliche Antwort der Protagonistin, ist von überraschender Einfachheit und Bescheidenheit geprägt. Anstatt nach Reichtum, Macht oder unermesslichem Glück zu verlangen, artikuliert sie eine sehr nüchterne und pragmatische Sichtweise. „Zum Glücklichsein bedarf ich / Nur Brot und Ruhm, nichts weiter.“ Diese Formulierung offenbart eine tiefe Wertschätzung für die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens – „Brot“ als Symbol für materielle Sicherheit und das Überleben, und „Ruhm“ als Ausdruck für Anerkennung und gesellschaftliche Wertschätzung.
Die Stärke des Gedichts liegt in seinem Kontrast. Es beginnt mit der Verheißung grenzenloser Möglichkeiten, um dann die radikale Begrenzung der eigenen Bedürfnisse zu zeigen. Die Protagonistin wählt nicht die extravaganten Wünsche, die man erwarten könnte, sondern konzentriert sich auf die essentiellen Elemente eines erfüllten Lebens. Diese Entscheidung unterstreicht eine innere Stärke und Unabhängigkeit, indem sie sich nicht von äußeren Einflüssen oder der Versuchung nach mehr leiten lässt. Sie scheint ihr Glück in der Einfachheit zu finden, in der Besinnung auf das Wesentliche.
Insgesamt ist „Des Mädchens Wünsche“ ein kleines Meisterwerk, das in wenigen Versen eine tiefe menschliche Erfahrung einfängt. Es wirft Fragen nach unseren wahren Bedürfnissen, nach der Natur des Glücks und der Bedeutung von Bescheidenheit auf. Das Gedicht fordert uns heraus, unsere eigenen Wünsche zu hinterfragen und zu überlegen, was uns wirklich glücklich macht, indem es uns mit einer Protagonistin konfrontiert, die die einfachen Freuden des Lebens schätzt und in ihnen Erfüllung findet.
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Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.