Der Winter
Der Sturm heult immer laut in den Kaminen
Und jede Nacht ist blutig-rot und dunkel.
Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.
Nun wohnen wir in rings umbauter Enge,
Im kargen Licht und Dunkel unserer Gruben,
Wie Seiler zerrend graür Stunden Länge.
Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,
Wo heisres Feür krächzt in großen Öfen.
Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben
Und starren schräge nach den leeren Höfen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Winter“ von Georg Heym malt ein düsteres Bild der Kälte und des Leids, das die kalte Jahreszeit über die Menschen bringt. Die ersten drei Verse etablieren sofort eine beklemmende Atmosphäre: „Der Sturm heult immer laut in den Kaminen / Und jede Nacht ist blutig-rot und dunkel. / Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.“ Der Sturm, das rote, dunkle Licht und die „leeren Mienen“ der Häuser deuten auf eine trostlose, fast apokalyptische Umgebung hin. Der Dichter nutzt starke Bilder und Metaphern, um die Sinneseindrücke des Lesers zu verstärken und die beklemmende Stimmung zu unterstreichen. Der „Sturm“ wird als Personifizierung des Winters dargestellt, der unaufhörlich und mit unerbittlicher Gewalt agiert.
In der zweiten Strophe wird das Bild des Eingeschlossenseins und der Enge verstärkt. Die Menschen „wohnen“ in „rings umbauter Enge“, eingeschlossen in ihren Behausungen, die von der Außenwelt abgeschnitten sind. Das „karge Licht“ und das „Dunkel unserer Gruben“ deuten auf einen Mangel an Lebensfreude und Hoffnung hin. Die Metapher des „Seilers“, der „graür Stunden Länge“ zerrt, impliziert einen mühsamen und langwierigen Prozess des Überlebens, der von Monotonie und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Die Erwähnung der „Gruben“ könnte zudem auf eine tiefe seelische Verfassung hindeuten.
Die dritte Strophe vertieft das Gefühl der Isolation und des Stillstands. Die Tage „zwängen sich in niedre Stuben“, was die Enge und die Einschränkung nochmals betont. Das „heisre Feür“ in den Öfen suggeriert Wärme, doch die Bezeichnung als „heisres“ Feuer lässt Zweifel an der Behaglichkeit aufkommen. Die Erwähnung der „ausgefrornen Scheiben“ und des Blickes auf die „leeren Höfen“ unterstreicht die Trennung von der Außenwelt und die Leere, die den Winter prägt. Die Perspektive der Menschen, die an den Fenstern stehen und in die Leere starren, spiegelt die passive Rolle der Bewohner in der kalten Jahreszeit wider.
Insgesamt ist „Der Winter“ ein kraftvolles Gedicht, das die beklemmende Stimmung und das Leid, die mit der kalten Jahreszeit einhergehen, einfängt. Heym verwendet eine dichte Sprache, ausdrucksstarke Bilder und Metaphern, um eine Welt der Dunkelheit, Enge und Hoffnungslosigkeit zu erschaffen. Das Gedicht zeugt von Heyms Talent, die menschliche Erfahrung in all ihren Facetten, einschließlich der dunklen und deprimierenden Seiten, widerzuspiegeln. Die kalte, feindliche Außenwelt und die daraus resultierende Isolation der Menschen werden meisterhaft dargestellt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.