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Der verwandten Seele

Von

Komm′ in den Garten, komm′, es laden
Der Frühling und die Nacht uns ein,
Sie kamen von des Wests Gestaden,
Um Zeugen unsres Glücks zu sein.

Die Harfe bebt von Frühlingslüften –
Sieh, wie der Mond ins Fenster winkt!
Komm′, daß in jenen Blumendüften
Die Seele Himmelsahnung trinkt.

In dem verschwiegnen Heiligthume,
Um das die Nacht den Schleier legt,
Entfaltet sich die stille Blume,
Die nur für sie den Balsam trägt.

Die Wesen trennenden Gestalten
Zerfließen in der Dämmerung
Und Seelen, die zusammen wallten,
Erfreu′n sich der Vereinigung.

Siehst du, wie dort im Sternenkreise,
Mit stillem, liebendem Gemüth
Der Mond auf ewig gleiche Weise
Nach der verwandten Erde sieht?

Der jedem Ding die Bahn gemessen,
Der Sonnen einst an Sonnen band,
Hat seinen Liebling nicht vergessen,
Den Wesenkranz knüpft Gottes Hand.

Der Hauch, in dem dem großen Geiste
Der schaffende Gedank′ entfloß,
Von dem das alte Chaos kreiste,
Er war′s, der unsern Bund beschloß.

So komm′ denn, du verwandte Seele,
In der sich meine Seele schaut,
Die mich nicht wählt, die ich nicht wähle,
Die mir die Ewigkeit vertraut!

Nach einer Sonne hingewendet
Zerrinnen wir in ein Gemüth –
Doch nimmer wird der Kreis vollendet,
Der magisch um die Welt sich zieht.

Sprich, könnten wir ein Glück genießen,
Wenn sich nicht jedes Wesen freut,
Und eng′ uns in uns selbst verschließen
Im Angesicht der Ewigkeit?

Zu Göttern macht uns der Gedanke,
Der hier durch meine Seele glänzt;
Daß keines Raumes enge Schranke
Das sel′ge Götterreich begrenzt.

So laß uns denn auf unsern Pfaden
Umher nach Bundesgliedern spähn,
Und alle mild und freundlich laden,
In unser Paradies zu gehn.

So Manchen werden wir begegnen,
Die einsam gehn den Dornengang,
Und einst mit uns die Stunde segnen,
In der uns diese Glut durchdrang.

Im Mondschein werden wir sie finden,
Im Zeichen, das uns Glück verheißt,
Und dem verwandten Geiste künden
Wird schnell sich der verwandte Geist.

Wir wollen in den Bund sie schließen,
Sie mit dem Friedenskusse weihn
Und Brüder sie und Schwestern grüßen
Und der Gefundenen uns freun.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der verwandten Seele von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der verwandten Seele“ von Max von Schenkendorf zelebriert eine romantische Vorstellung von Seelenverwandtschaft und der Sehnsucht nach Vereinigung. Es ist ein Aufruf an eine verwandte Seele, in einen Garten einzutreten, der durch den Frühling und die Nacht verzaubert ist. Die Natur dient als Zeuge und Bühne für die angestrebte Vereinigung, wobei der Mond eine zentrale Rolle als verbindendes Element zwischen Himmel und Erde einnimmt.

Das Gedicht ist stark von romantischen Motiven wie Natur, Liebe, Ewigkeit und dem Streben nach Harmonie geprägt. Die Beschreibung der Natur, insbesondere des Gartens und des Mondes, erzeugt eine idyllische Atmosphäre, die die ideale Umgebung für die Begegnung der Seelen darstellt. Die Verwendung von Begriffen wie „verwandte Seele“, „Vereinigung“, „Himmelsahnung“ und „Ewigkeit“ unterstreicht die metaphysische Dimension des Gedichts und die Sehnsucht nach einer tiefen, transzendenten Verbindung.

Ein zentrales Thema des Gedichts ist die Idee der universellen Verbundenheit. Die Metapher des Mondes, der liebevoll auf die Erde blickt, verdeutlicht das Prinzip der gegenseitigen Anziehung und des Zusammenhalts in der Schöpfung. Diese Idee wird auf die Beziehung der Seelen übertragen, die sich in ihrem Streben nach Vereinigung dem universellen Prinzip anschließen. Der Dichter fordert dazu auf, weitere „Bundesglieder“ zu suchen und in den Kreis der Seelenverwandtschaft aufzunehmen, was die Bedeutung der Gemeinschaft und des Teilens unterstreicht.

Die letzten Strophen des Gedichts erweitern das Thema der Seelenverwandtschaft auf eine soziale Ebene. Die Suche nach verwandten Seelen wird zu einer Mission, Menschen zu finden, die sich ebenfalls nach Harmonie und Verbundenheit sehnen. Das Gedicht endet mit der Vision einer erweiterten Gemeinschaft, in der alle „Brüder und Schwestern“ durch den „Friedenskuss“ vereint sind. Diese Vision ist ein Ausdruck des romantischen Ideals einer harmonischen Gesellschaft, die durch Liebe und gegenseitige Akzeptanz geprägt ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.