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Der Kompanie bei ihrem ersten Kränzchen im Winter 1821

Von

Heran! heran! du edler Circulus
Heran! heran! zum frohen Bundesmahle!
Reicht euch die Hand; gebt euch den Bruderkuß,
Schließt dichter euch bei teegefüllter Schale!
Wir weihen heut, was uns so fest verband,
O Bruderbund! dir schwören wir aufs neue,
Und fester Sinn und Bruderlieb und Freundestreue
Sei heut gelobt, wir schwören′s Hand in Hand.

Doch wie, mit Tee bereitet ihr das Fest?
Mit Tee? Kann dies ein deutscher Bursche wagen?
So ist dahin der alten Tage Rest,
Wo stets beim Bier die flottsten Bursche lagen!
Umsonst mein Aug die vollen Humpen sucht;
Ruchlos Geschlecht! das sich vom Bier gewendet,
O Bierkomment, du Väterbrauch! das dich geschändet!
So ist dahin der alten Väter Zucht?

Ja, wißt, erstanden ist ein neu Geschlecht,
Der alten Roheit Zeiten sind hinüber;
Der Bursche prahlt nicht mehr von Burschenrecht,
Er zeigt nicht gleich voll Renommage den Hieber;
Ein edler Sinn stieg auf aus blut′gem Streit,
Es kehrt der Geist uralter Väter wieder.
Ah! stolzer stehn in deutscher Kraft und frei die Brüder
Hoch auf den Trümmern der vergangnen Zeit.

Zwar hoch in Ehren ist noch stets der Saft,
Den sich im Wald der alte Kelte braute,
Aus ihm erschlürft der Bursch sich Mut und Kraft
(Weh! wem vor diesem Nektar jemals graute!);
Doch nur zur Labe trinkt er für sein durstig Herz;
Nicht brüllt er wie ein Stier bei Saufbanketten:
»′ne Halbe vor«, »Blitz! Füchslein sauf«, »ich laß dich treten!«
Pfui! roher Zeiten schlecht vererbter Scherz!

Doch wo im trauten, engverbundnen Kranz
Zur schönen Eintracht Freunde sich verbunden,
Und wo mit Scherz und Laun im Wechseltanz
Auf leichtem Fuß entfliehn die Abendstunden:
Wenn durch die Lüfte stürmend heult der Wind,
Der Schnee die Flur bekleidet und der Reifen,
Da steigt der Dampf zum Äther auf aus Schal und Pfeifen,
Denn Tee und Knaster herrlich Labsal sind.

Drum frisch heran! noch ist die Schale warm,
Steckt an die Pfeifen, dampft nach alter Weise,
Des Knasters Dampf zerstreue Gram und Harm;
Seid recht fidel! und jubelt! – aber leise!
Doch ihr erprobten Füchse, die euch heut
In unsern Kreis geführt der Freundschaft Triebe,
Reicht uns die Hand zum Unterpfand der Bruderliebe,
Dem Bruderbunde seid hinfort geweiht.

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Gedicht: Der Kompanie bei ihrem ersten Kränzchen im Winter 1821 von Wilhelm Hauff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Kompanie bei ihrem ersten Kränzchen im Winter 1821“ von Wilhelm Hauff ist eine charmante Auseinandersetzung mit den Veränderungen im studentischen Brauchtum im frühen 19. Jahrhundert. Es feiert den Übergang von der traditionellen, bierdominierten Trinkkultur hin zu einer neuen, verfeinerten Form des studentischen Zusammenseins, die von Tee und einer betonten Wertschätzung von Freundschaft, geistiger Auseinandersetzung und moralischen Werten geprägt ist.

Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf an die Mitglieder der Kompanie, sich zu einem fröhlichen Treffen zu versammeln, bei dem der Bund der Freundschaft und die gegenseitige Liebe beschworen werden. Der Kontrast zur alten Trinkkultur wird jedoch sofort deutlich, als die Verwendung von Tee anstelle von Bier thematisiert wird. Der Autor, vermutlich selbst ein Mitglied der Kompanie, äußert zunächst einen Hauch von Nostalgie nach den „alten Tagen“, in denen das Bier die vorherrschende Getränkeauswahl war und das studentische Leben von rauen Sitten geprägt war. Diese Skepsis ist jedoch nur von kurzer Dauer.

In den folgenden Strophen wandelt sich die anfängliche Nostalgie in eine Zustimmung zum Wandel. Der Autor preist die Tugenden des neuen studentischen Geistes, der von einem „edleren Sinn“ geprägt ist und die „Roheit“ der Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Die Betonung liegt auf Freundschaft, gegenseitigem Respekt und der Abkehr von übertriebenen Trinkgelagen. Die Anspielungen auf die alten Traditionen, wie etwa das „Bierkomment“, dienen lediglich dazu, die positiven Eigenschaften der neuen Zeit umso deutlicher hervorzuheben.

Das Gedicht endet mit einem Lob auf die neue Gemütlichkeit, die sich in der Kombination von Tee, Knaster (Tabak) und der Freude am gemeinsamen Zusammensein äußert. Die „Füchse“ (Neulinge), die in die Kompanie aufgenommen werden, werden aufgefordert, die Hand zur Freundschaft zu reichen und sich dem Bund der Bruderliebe zu widmen. Hauffs Gedicht ist somit ein Ausdruck der Aufbruchstimmung im deutschen Studentenleben, das sich von der Vergangenheit distanziert und eine neue, humanistischere und zivilisiertere Identität sucht. Es ist ein Fest der Freundschaft und des Wandels, das die Sehnsucht nach einer besseren, verständnisvolleren Gemeinschaft zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.