Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , ,

Der Eintritt des 1752sten Jahres

Von

Im Spiel, dem Huld und Macht
Die Welt zur Bühne gab, das Weisheit ausgedacht,
In diesem Spiel zur kurzen Szen′ erlesen,
Jahr! Zeit, für Sterbliche gewesen!
Für ihn, der eh du kamst, dich als gekommen sah,
Für Gott noch da!

So wie ein Strom, der aus der Erde bricht,
Und wenig Meilen rollt, und wieder sich verkriecht,
Bist du, aus der du dich ergossen,
Zur Ewigkeit, – die Gott, mit aller Welten Last,
Im Zipfel seines Kleides faßt, –
Zur Ewigkeit zurück geflossen.

Vom Dürftigen verseufzt, mit tränenvollen Blicken
Des Reuenden verfolgt, zurück gewünscht vom Tor,
Vom Glücklichen erwähnt mit trunkenem Entzücken:
Jahr, welche Botschaft von der Erde, –
Jetzt unwert jenes Rufs: Sie werde! –
Bringst du dem Himmel vor?

Botschaft ach! vom Triumph des Lasters über Tugend,
Hier vordem ihrem liebsten Sitz;
Von Vätern böser Art; Botschaft von schlimmrer Jugend;
Von Feinden Gottes, stolz auf Witz;
Botschaft von feiler Ehr, womit die Schmach sich schmücket;
Von ungerechtem Recht, das arme Fromme drücket.

Botschaft, daß die Natur längst unsrer müde worden,
Die dort mit Flüssen Feuers schreckt,
Das paradiesische Gefilde überdeckt,
Und dort, geschäftig im Ermorden,
Der aufgebotnen Pest
Die gift′gen Schwingen schütteln läßt.

Botschaft von hingerißnen Göttern
Der einst durch sie regierten Welt;
Botschaft von finstern Kriegeswettern,
Die hier ein Gott zurücke hält,
Und dort ein Gott, der grausamer verfährt,
Mit immer neuen Blitzen nährt.

Doch Botschaft auch von einem Lande,
Wo den weichen Zepter führt,
Und Ruh und Glück, im schwesterlichen Bande,
Die Schwellen seines Thrones ziert;
Des Thrones, ungewiß, ob ihn mehr Vorsicht schützt,
Als Liebe stützt.

O ihr, die liebt, weil er geliebt will sein,
Ihr Völker jauchzt ihm zu! Der Himmel stimmet ein.
Auf! strebt, daß er mit diesem Jahre,
Wenn er sie jetzt nicht schon erfährt,
Die wicht′ge Botschaft froh erfahre:
Ihr wäret eures wert.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Eintritt des 1752sten Jahres von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Eintritt des 1752sten Jahres“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine tiefgründige Reflexion über die Natur der Zeit, die menschliche Existenz und die moralische Verfasstheit der Welt. Es beginnt mit einer Metapher der Welt als einer Bühne, auf der die Zeit, hier personifiziert als das Jahr 1752, eine kurze Szene darstellt. Lessing konfrontiert den Leser mit der Vergänglichkeit, indem er die Zeit mit einem Strom vergleicht, der aus der Erde entspringt und wieder in die Ewigkeit zurückfließt, die von Gott umfasst wird.

Der zweite Teil des Gedichts wendet sich der menschlichen Erfahrung der Zeit zu. Lessing beschreibt, wie das Jahr aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen wird: vom Dürftigen, der es beklagt, vom Reuenden, der es zurückwünscht, und vom Glücklichen, der es mit Freude erinnert. Diese Vielfalt an menschlichen Reaktionen unterstreicht die subjektive Natur der Zeit und ihre Bedeutung für das menschliche Leben. Dann erhebt sich die Frage nach der Botschaft, die das Jahr in den Himmel trägt, was zu einer düsteren Analyse der moralischen Lage der Welt führt.

Im Zentrum des Gedichts steht eine erschütternde Inventur der Missetaten und Übel, die das Jahr ans Licht bringt. Lessing listet „Triumph des Lasters über Tugend“, böse Väter und schlimme Jugend, Feinde Gottes, feile Ehr, ungerechtes Recht und die zerstörerische Kraft der Natur auf. Die Botschaft an den Himmel ist somit eine Anklage gegen das moralische Versagen der Menschheit und die damit verbundene Zerstörung der Welt. Dies wird durch Bilder der Verwüstung und des Krieges verstärkt, wodurch ein düsteres Bild der Zeit gezeichnet wird.

Trotz dieser pessimistischen Bestandsaufnahme schließt das Gedicht mit einer Hoffnung. Lessing spricht von einem Land, in dem Frieden und Glück herrschen und dessen Thron von Vorsicht und Liebe geschützt wird. Das Gedicht wird zu einem Appell an die Menschen, Liebe und Tugend zu praktizieren, um ein positives Zeugnis abzugeben. Der Aufruf zum Handeln und zur moralischen Erneuerung ist die zentrale Botschaft des Gedichts. Lessing fordert die Menschen auf, durch ihre Taten zu beweisen, dass sie des Vertrauens würdig sind, welches ihnen zuteil wird, und somit eine bessere Zukunft zu gestalten.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.