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Der Dorfdadaist

Von

In Schnabelschuhen und im Schnürkorsett
Hat er den Winter überstanden,
Als Schlangenmensch im Teufelskabinett
Gastierte er bei Vorstadtdilletanten.

Nun sich der Frühling wieder eingestellt
Und Frau Natura kräftig promenierte,
Hat ihn die Lappen- und Atrappenwelt
Verdrossen erst und schließlich degoutieret.

Er hat sich eine Laute aufgezimmert
Aus Kistenholz und langen Schneckenschrauben,
Die Saiten rasseln und die Stimme wimmert,
Doch läßt er sich die Illusion nicht rauben.

Er brüllt und johlt, als hinge er am Spieße.
Er schwenkt juchelend seinen Brautzylinder.
Als Schellenkönig tanzt er auf der Wiese
Zum Purzelbaum der Narren und der Kinder.

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Gedicht: Der Dorfdadaist von Hugo Ball

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Dorfdadaist“ von Hugo Ball porträtiert einen Mann, der sich, scheinbar aus Verdruss über die ihm widerfahrene Künstlichkeit, in einen Dadaisten verwandelt hat und nun die Natur und die kindliche Freude als neue Inspirationsquelle sucht. Die ersten beiden Strophen skizzieren die Welt, aus der der Protagonist stammt: ein Leben in künstlichen Inszenierungen und dem trüben Dasein eines reisenden Künstlers, der sich in einem „Teufelskabinett“ mit „Vorstadtdilletanten“ abmühen musste. Die Verwendung von Begriffen wie „Schnabelschuhen“ und „Schnürkorsett“ unterstreicht die Künstlichkeit dieser Welt.

Die zweite Strophe zeigt den Umschwung. Der Frühling, Symbol der Erneuerung und des natürlichen Lebens, lässt den Protagonisten die künstliche Welt „verdrossen“ und „degoutiert“ zurücklassen. Dieser Moment markiert den Beginn einer neuen Lebensphase. Er wendet sich ab von der Zirkuswelt hin zur Natur, die er, im Gegensatz zur „Lappen- und Atrappenwelt“, als erfrischend und authentisch erlebt. Dieser Wechsel verdeutlicht das dadaistische Bestreben, sich von Konventionen und etablierten Kunstformen abzuwenden und nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen.

Die dritte und vierte Strophe beschreiben die darauffolgenden Handlungen. Der Protagonist bastelt sich eine Laute, die zwar unvollkommen ist, jedoch seine neue künstlerische Identität repräsentiert. Die „rasselnden Saiten“ und die „wimmernde Stimme“ deuten auf eine gewisse Unbeholfenheit, aber auch auf die unbändige Kreativität des Dorfdadaisten hin. Er tanzt, brüllt und feiert sich selbst wie ein Narr auf der Wiese, eingebettet in die Welt der Kinder. Die Kombination aus „Brautzylinder“, „Schellenkönig“ und „Purzelbaum“ verdeutlicht die spielerische und anarchische Natur des Dadaismus.

Ball verwendet hier eine recht lockere Reimstruktur und einfache Sprache, die den improvisierten und spontanen Charakter des Dadaismus widerspiegelt. Die Metaphern und Bilder, die das Gedicht prägen, wie die „Schneckenschrauben“ oder der „Brautzylinder“, sind surreal und humorvoll, was typisch für die Bewegung ist. Das Gedicht ist somit eine Hommage an die Freude an der Zerstörung alter Formen und die Befreiung von Konventionen, sowie eine Feier der kindlichen Freude und der Rückkehr zur Natur als Quelle der Inspiration.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.