Der Bohrturm
Es steht ein schwarzes Gespenst im Moor;
Das ragt über Büsche und Bäume empor.
Es steht da groß und steif und stumm;
Sieht lauernd sich im Kreise um.
In Rosenrot prangt das Haideland;
„Ich ziehe dir an ein schwarzes Gewand“.
Es liegt das Dorf so still und klein;
„Dich mache ich groß und laut und gemein“.
Es blitzt der Bach im Sonnenschein;
„Bald wirst du schwarz und schmutzig sein“.
Es braust der Wald so stark und stolz;
„Dich fälle ich zu Grubenholz“.
Die Flamme loht, die Kette klirrt,
Es zischt der Dampf, der Ruß, der schwirrt,
Der Meißel frißt sich in den Sand;
Der schwarze Tod geht durch das Land.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Bohrturm“ von Hermann Löns beschreibt in eindrucksvollen Bildern die Zerstörung und Verwandlung einer idyllischen Landschaft durch die Ankunft und das Wirken eines Bohrturms. Das „schwarze Gespenst“ – der Bohrturm selbst – wird als unheimliche, übernatürliche Erscheinung dargestellt, die mit ihren technischen Fähigkeiten die Natur verändert und zerstört. Der Autor personifiziert den Bohrturm, indem er ihm eine aktive Rolle bei der Zerstörung der umliegenden Landschaft zuschreibt.
Die zentrale Metapher ist die Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung. Löns verwendet starke Kontraste, um die Veränderung zu verdeutlichen: Das „Rosenrot“ des Haidelands und der „Blitz“ des Baches stehen im Gegensatz zur „schwarzen“ Farbe, die der Bohrturm der Landschaft bringt. Die idyllische Ruhe des Dorfes wird durch die Ankunft des Turms in „Größe, Lautstärke und Gemeinheit“ transformiert. Der Wald, Symbol für Stärke und Natürlichkeit, wird zum „Grubenholz“ degradiert, was auf die Ausbeutung der Ressourcen und die Zerstörung der Natur hinweist.
Die zweite Strophe, in der der Bohrturm die Landschaft „anspricht“ und ihr ihren ursprünglichen Zustand nimmt, verdeutlicht die allgegenwärtige Bedrohung, die von der Industrialisierung ausgeht. Das Gedicht endet mit einer Beschreibung des Bohrvorgangs, der als „schwarzer Tod“ durch das Land geht. Die Geräusche des Bohrens, das Zischen des Dampfes und der umherfliegende Ruß verstärken das Bild der Zerstörung und des Verfalls.
Die Sprache des Gedichts ist schlicht und kraftvoll, mit einfachen Reimen und eindringlichen Bildern, die die Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung deutlich machen. Löns vermittelt eine tiefe Besorgnis über die Auswirkungen des Fortschritts auf die natürliche Umwelt. Das Gedicht ist eine düstere Mahnung an die Folgen der menschlichen Eingriffe in die Natur und ein Ausdruck der Sehnsucht nach einer unberührten, unversehrten Landschaft.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.