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Der 24ste Jänner in Berlin

Von

Welch leichter Morgentraum ließ, auf den heil′gen Höhen,
Der Musen Fest um Friedrichs Bild
Mich bei Aurorens Glanz mit frommem Schauer sehen,
Der noch, der noch die Seele füllt.

Ein Traum? nein, nein, kein Traum. Ich sah mit wachem Sinne,
Die Musen tanzten darum her.
Wach ward ich nah dabei Cäsars und Solons inne,
Doch keinen, daß er neidisch wär′.

Ein süßer Silberton durchzitterte die Lüfte,
Bis in des Ohres krummen Gang;
Die Blumen brachen auf, und streuten Balsamdüfte;
Der Berg lag lauschend; Klio sang:

»Heil dir! festlicher Tag, der unsern Freund geboren.
Ein König, Schwestern, unser Freund!
Heil dir! uns neues Reich, zum Schauplatz ihm erkoren,
Dem frommen Krieger, niemands Feind.

Laßt freudig um sein Bild, voll Majestät in Blicken,
Der Tänze Hieroglyphen ziehn!
Einst, Schwestern, tanzen wir, mit trunkenerm Entzücken,
Einst, freut euch, tanzen wir um ihn!«

Einst tanzen wir um ihn? Prophetin banger Schrecken!
Nie werde dieses Wort erfüllt!
Nie mög′ ein Morgenrot zu diesem Glück euch wecken!
Tanzt, Musen, ewig um sein Bild!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der 24ste Jänner in Berlin von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der 24ste Jänner in Berlin“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine poetische Huldigung an Friedrich den Großen, die an dessen Geburtstag (24. Januar) verfasst wurde. Es zeichnet sich durch eine Mischung aus klassizistischen Elementen, wie der Bezugnahme auf die Musen und antike Vorbilder wie Caesar und Solon, und einem emphatischen Patriotismus aus, der die Verehrung des preußischen Königs zum Ausdruck bringt. Die Szenerie, die Lessing entwirft, ist von einer feierlichen Atmosphäre geprägt, die durch die Verwendung von erhabener Sprache und pathetischen Bildern verstärkt wird.

Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung eines Traums, der den Dichter auf den „heil’gen Höhen“ des Musenfestes versetzt, wo er Friedrich in „Aurorens Glanz“ (also im Morgengrauen) erblickt. Dieser Traum wird sogleich als Realität bestätigt, was die Intensität der Verehrung unterstreicht. Die Musen, als Sinnbilder der Künste und Wissenschaften, tanzen um das Bild des Königs, was die kulturelle Bedeutung Friedrichs und dessen Fördererrolle im Geistesleben seiner Zeit hervorhebt. Die Erwähnung von Caesar und Solon deutet darauf hin, dass Friedrich in der Tradition großer Staatsmänner gesehen wird.

Der zentrale Teil des Gedichts wird durch Klios Gesang dominiert. Klio, die Muse der Geschichte, verkündet Friedrich als König, der ein „frommer Krieger“ und „niemands Feind“ ist. Diese Aussage betont Friedrichs aufgeklärte Herrschaft und seine Rolle als Beschützer des Reiches. Die Ankündigung zukünftiger Freuden und Tänze, die von den Musen um den König aufgeführt werden sollen, verleiht dem Gedicht einen prophetischen Charakter und deutet auf eine glanzvolle Zukunft hin, die mit Friedrichs Herrschaft verbunden ist.

Bemerkenswert ist die Verwendung der Worte „Einst tanzen wir um ihn?“ im vorletzten Vers. Diese Frage, die von einer „Prophetin banger Schrecken“ (Klio) gestellt wird, deutet eine mögliche Gefahr an und wirft einen Schatten auf die glänzende Zukunftsvision. Lessing schließt das Gedicht mit der eindringlichen Bitte, dass sich dieses Wort niemals erfüllen möge, und erneuert stattdessen den Wunsch, dass die Musen ewig um das Bild des Königs tanzen. Dies verdeutlicht die ambivalente Beziehung des Dichters zur Zukunft und die tiefe Verehrung für den König. Das Gedicht ist somit ein Lobgesang auf Friedrich, der mit einer subtilen Reflexion über die Unbeständigkeit des Glücks und der Macht verbunden ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.