Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , ,

Dein Lied ist rührend, edler Sänger

Von

Dein Lied ist rührend, edler Sänger,
Doch zürne dem Genossen nicht,
Wird ihm darob das Herz nicht bänger,
Das, dir erwidernd, also spricht:

„Die Poesie ist angeboren,
Und sie erkennt kein Dort und Hier!
Ja, ging die Seele mir verloren,
Sie führ′ zur Hölle selbst mit mir.

Inzwischen sieht′s auf dieser Erde
Noch lange nicht so graulich aus,
Und manchmal scheint mir, dass das Werde!
Ertön′ erst recht dem „Dichterhaus“.

Schon schafft der Geist sich Sturmesschwingen
Und spannt Eliaswagen an;
Willst träumend du im Grase singen,
Wer hindert dich, Poet, daran?

Ich grüsse dich im Schäferkleide,
Herfahrend – doch mein Feuerdrach′
Trägt mich vorbei, die dunkle Heide
Und deine Geister schaun uns nach.

Was deine alten Pergamente
Von tollem Zauber kund dir tun,
Das seh′ ich durch die Elemente
In Geistes Dienst verwirklicht nun.

Ich seh′ sie keuchend glühn und sprühen,
Stahlschimmernd bauen Land und Stadt,
Indes das Menschenkind zu blühen
Und singen wieder Musse hat.

Und wenn vielleicht in hundert Jahren
Ein Luftschiff hoch mit Griechenwein
Durchs Morgenrot käm′ hergefahren
Wer möchte da nicht Fährmann sein?

Dann bög′ ich mich, ein sel′ger Zecher,
Wohl über Bord von Kränzen schwer,
Und gösse langsam meinen Becher
Hinab in das verlassne Meer.“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Dein Lied ist rührend, edler Sänger von Justinus Kerner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dein Lied ist rührend, edler Sänger“ von Justinus Kerner ist eine Auseinandersetzung mit der Natur der Poesie, ihrer Freiheit und ihrem Verhältnis zur Welt. Es ist ein Dialog, in dem die Stimme des „Genossen“ auf das Lied eines „edlen Sängers“ reagiert. Die Reaktion des Genossen drückt eine tiefe Wertschätzung für die Poesie aus, betont aber auch ihre Ungebundenheit und die Vision einer Zukunft, in der Kunst und Fortschritt verschmelzen.

Der Genosse, der im Gedicht spricht, bekennt zunächst die angeborene Natur der Poesie und ihre Unabhängigkeit von Raum und Zeit. „Die Poesie ist angeboren, / Und sie erkennt kein Dort und Hier!“ Diese Zeilen unterstreichen die universelle und transzendente Qualität der Kunst. Selbst wenn die Seele verloren ginge, würde die Poesie sie begleiten, selbst in die Hölle. Dies deutet auf die tiefe emotionale und spirituelle Kraft der Poesie hin, die über alle Grenzen hinauswirkt.

Die zweite Hälfte des Gedichts öffnet den Blick auf eine optimistischere Zukunft. Der Genosse sieht eine Welt, in der der Fortschritt – symbolisiert durch „Stahlschimmernd bauen Land und Stadt“ und „Eliaswagen“ – mit der Poesie verschmilzt. Die Vision eines Luftschiffs im Morgenrot, beladen mit Wein, ist eine verlockende Metapher für die Verbindung von Traum, Technologie und Genuss. Dies steht im Gegensatz zu dem Sorgen-Ton des „edlen Sängers“. Der „Genosse“ scheint der Vision des Dichters zu folgen, blickt jedoch in die Zukunft.

Die abschließenden Strophen des Gedichts offenbaren die Sehnsucht nach Freiheit und Genuss in einer Welt, die durch Fortschritt und Erneuerung bereichert wurde. Der Genosse träumt davon, als glücklicher Zecher von einem Luftschiff in das verlassene Meer zu blicken und seinen Becher der Freude zu leeren. Dieses Bild symbolisiert die Akzeptanz der Veränderungen und die Freude an der neuen Welt. Kerner vermittelt hier eine Botschaft des Optimismus und der Hoffnung, in der die Poesie ihren Platz in einer sich ständig verändernden Welt finden kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.