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Das Christkind in der Fremde

Von

Ich habe bei Becherschimmer
Gestern allein gewacht,
Und habe wohl wie immer
An Schlachten und Stürme gedacht.

Der Wein, der kraftgewürzte,
War hell wie Heldenblut,
Doch je mehr ich hinunterstürzte,
Je trüber ward mein Mut.

Ich mocht’ es nicht mehr tragen,
Ich ging in die Nacht hinein;
Lichtwellen sah ich schlagen
Aus Fenster und Fensterlein.

Da sah wie ein Bettlerkind ich
In jeden erhellten Raum;
Wo meine Mutter find’ ich,
Wo steht mein Weihnachtsbaum?

Und als ich kam nach Hause,
Was ist das in aller Welt?
Da war in meiner Klause
Ein jedes Fenster erhellt.

Und als ich trat ins Zimmer,
Da war’s nicht mehr ein Traum,
Da stand im vollsten Schimmer
Der schönste Weihnachtsbaum.

Und an dem Strahl der Kerzen,
Da fühlt’ ich, wie zerschmolz
Im sturmbegierigen Herzen
Der wilde, sehnende Stolz.

Es war so mild zu schauen,
Wie jedes Lichtlein glomm,
In die Augen tät mir tauen
Ein Fühlen kindesfromm.

Mir war’s, als dürft’ ich träumen,
Ich sei nicht mehr verwaist,
Und es webte in den Räumen
Meiner Mutter süßer Geist.

Doch die den Baum mir stellten
In meine öde Nacht,
Mag’s ihnen Gott vergelten,
Wie selig sie mich gemacht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Christkind in der Fremde von Moritz Graf von Strachwitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Christkind in der Fremde“ von Moritz Graf von Strachwitz beschreibt eine innere Reise des lyrischen Ichs, das sich in einer Phase der Melancholie und des Heimwehs befindet. Der Text beginnt mit einer Szene der Einsamkeit, in der der Sprecher bei Wein und Gedanken an vergangene Schlachten und Stürme seine Zeit verbringt. Diese ersten Strophen zeichnen ein Bild von innerer Unruhe und dem Wunsch nach Trost und Geborgenheit.

Die Sehnsucht nach einer wärmeren Atmosphäre und nach dem Gefühl von Heimat treibt den Sprecher in die Nacht, wo er durch die erleuchteten Fenster anderer Häuser einen Kontrast zu seiner eigenen Dunkelheit wahrnimmt. Die wiederholte Frage nach der Mutter und dem Weihnachtsbaum deutet auf eine tiefe Verankerung in familiären Traditionen und dem Bedürfnis nach kindlicher Geborgenheit. Das Bild des „Bettlerkindes“ in jedem erhellten Raum unterstreicht die existentielle Leere, die der Sprecher in sich spürt.

Die Rückkehr in die eigene Wohnung und die Entdeckung des geschmückten Weihnachtsbaumes markieren den Wendepunkt des Gedichts. Die Erleuchtung des Zimmers, der Glanz des Baumes und der Kerzenschein wirken wie ein Balsam auf die Seele des Sprechers. Der „wilde, sehnende Stolz“ des Herzens schmilzt angesichts der milden Szenerie und der kindlichen Frömmigkeit, die sich in den Augen des Sprechers spiegelt. Dies deutet auf eine innere Heilung und die Überwindung der zuvor beschriebenen Melancholie hin.

Der abschließende Teil des Gedichts, in dem der Sprecher sich als „nicht mehr verwaist“ empfindet und die Anwesenheit des Geistes der Mutter spürt, verstärkt das Gefühl des Trostes und der Geborgenheit. Die Danksagung an diejenigen, die den Baum aufgestellt haben, zeigt die Dankbarkeit für die erfahrene Liebe und Fürsorge. Insgesamt ist das Gedicht eine bewegende Reflexion über Einsamkeit, Sehnsucht, Heimweh und die rettende Kraft von Tradition und Liebe. Es feiert die Magie der Weihnacht und die Fähigkeit, in der Dunkelheit Hoffnung und Trost zu finden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.