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Chor der Toten

Von

Wir Toten, wir Toten sind größere Heere
Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere!
Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten,
Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten,
Und was wir vollendet und was wir begonnen,
Das füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen,
Und all unser Lieben und Hassen und Hadern,
Das klopft noch dort oben in sterblichen Adern,
Und was wir an gültigen Sätzen gefunden,
Dran bleibt aller irdische Wandel gebunden,
Und unsere Töne, Gebilde, Gedichte
Erkämpfen den Lorbeer im strahlenden Lichte,
Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele-
Drum ehret und opfert! Denn unser sind viele!

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Gedicht: Chor der Toten von Conrad Ferdinand Meyer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Chor der Toten“ von Conrad Ferdinand Meyer gibt den Toten eine Stimme und hebt deren Bedeutung über den Tod hinaus hervor. Zu Beginn wird eine markante Differenz zwischen den Toten und den Lebenden gemacht: Die Toten bilden „größere Heere“ als die Lebenden auf der Erde und dem Meer. Dieser Vergleich deutet darauf hin, dass der Tod in seiner Unendlichkeit eine größere, aber auch unausweichliche Macht darstellt. Die Toten, die mit „geduldigen Taten“ das Feld pflügten, stellen die Arbeit und Mühe dar, die in der Vergangenheit von Menschen geleistet wurden. Das Bild des Pflügens symbolisiert den Fleiß und die Schöpfungskraft, die über die Zeit hinaus von Bedeutung bleibt.

Im Kontrast dazu wird das Bild der Lebenden, die „die Sicheln schwingen und die Saaten schneiden“, als eher vorübergehend und vergänglich dargestellt. Die Ernte wird zwar eingebracht, doch das, was die Toten begonnen und vollendet haben, „füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen“. Die „rauschenden Bronnen“ symbolisieren die ewige Präsenz der Toten und ihrer Taten, die im Leben der Lebenden weiterwirken. Es ist eine Vorstellung von Unsterblichkeit durch das bleibende Erbe menschlicher Taten, das selbst über den Tod hinaus Einfluss nimmt und die Lebenswelt der Lebenden weiterhin prägt.

Ein zentrales Thema des Gedichts ist die fortwährende Bedeutung der Toten für das Leben und den Wandel der Welt. Die Toten „lieben, hassen und hadern“ noch immer, und ihre Emotionen und Konflikte leben weiter, „in sterblichen Adern“. Diese Vorstellung deutet darauf hin, dass die Toten nicht einfach in Vergessenheit geraten sind, sondern dass ihre Handlungen und Gefühle in den lebenden Generationen weiterwirken. Auch die „gültigen Sätze“, die die Toten fanden, bleiben bestehen und binden den irdischen Wandel, was die beständige Gültigkeit der Weisheit und der menschlichen Erkenntnisse unterstreicht.

Am Ende fordert der „Chor der Toten“ die Lebenden auf, sie zu ehren und zu opfern. Dies ist nicht nur ein Aufruf zur Erinnerung, sondern auch eine Anerkennung der fortwährenden Präsenz der Toten in der Welt der Lebenden. Die Toten sind in ihren Taten, in ihren „Tönen, Gebilden, Gedichten“ lebendig und kämpfen im „strahlenden Lichte“ um Anerkennung und Ehre. Das Gedicht vermittelt eine tief philosophische Sicht auf den Tod, der nicht das Ende der Existenz bedeutet, sondern vielmehr eine Fortsetzung des Einflusses auf die Welt und auf die Menschen, die nach den Toten kommen. Die Toten sind viele und ihre Erben sind die Lebenden, die mit Respekt und Anerkennung das Erbe der Toten bewahren sollen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.