Der Mensch ist frei
Der Mensch ist frei
Er kann sein Teil sich wählen
Er kann begeistert sein
Er kann die Sterne zählen,
Die mit des Lichtes Schein
Den ewgen Willen Gottes ihm vermählen,
Der Mensch ist frei,
Wo herrlich eine Flamme
Des Schöpfers glüht,
Ob sie vom Schwerte stamme
Ob aus dem Ölzweig blüht,
Da stürzt der Geist
Wie Meerflut aus dem Damme,
Und wenn er gleich manch friedlos Werk zerreißt
So keimt doch Segen aus der Zorngen Streit
Nach ewigen Gesetzen lebt die Zeit.
Und wie Gewitterwolken und die Blitze
Zur Erde niederschmettern
So auch der Krieg.
Weh wer mit feigem Witze,
Ein Obdach unter Eichen sucht vor Wettern,
Die Eiche und der Feige wird getroffen,
Was hat der Feige in der Welt zu hoffen
Er ist schon tot, er war von jeher tot
Und ewig stirbt er, sterben ist sein Leben,
Der sich entzieht dem heiligsten Gebet,
Dem wird kein Gott, kein Sieg je niederschweben.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Mensch ist frei“ von Clemens Brentano ist eine leidenschaftliche Hymne auf die menschliche Entscheidungsfreiheit und geistige Würde. Es entfaltet eine idealistische Vision des Menschen als Wesen, das – trotz aller Gefährdungen und Kämpfe – mit dem „ewgen Willen Gottes“ in Verbindung treten kann. Brentano verbindet in diesem Gedicht religiöses Pathos mit moralischer Forderung und einem hohen Freiheitsbegriff.
Gleich zu Beginn wird die zentrale Aussage betont: „Der Mensch ist frei“. Freiheit wird hier nicht als bloße Willkür verstanden, sondern als Fähigkeit zur geistigen und moralischen Wahl. Der Mensch „kann begeistert sein“, „die Sterne zählen“ – das heißt, er kann über sich hinausdenken, den göttlichen Kosmos erkennen und sich mit dem „ewigen Willen“ verbinden. Diese Verbindung geschieht nicht durch Zwang, sondern durch innere Öffnung, durch Erhebung des Geistes.
Brentano verknüpft diese Freiheit mit dem Bild einer glühenden Flamme – Sinnbild für göttliche Inspiration, aber auch für den inneren Kampf. Ob diese Flamme vom „Schwerte“ oder vom „Ölzweig“ stammt, ob sie also Krieg oder Frieden bedeutet, spielt zunächst keine Rolle: Wichtig ist die Echtheit des inneren Feuers. In starker Bildsprache zeigt Brentano, wie der Geist „wie Meerflut aus dem Damme“ bricht – eine Naturgewalt, die zerstören, aber auch erneuern kann. Selbst aus dem Streit kann Segen keimen, weil alles dem „ewigen Gesetz“ unterliegt.
Im letzten Teil wird der Kontrast zwischen Mut und Feigheit zugespitzt. Wer sich dem Sturm entzieht, wer in der Zeit des Kampfes Zuflucht sucht „unter Eichen“, also in falscher Sicherheit, der hat sein Menschsein bereits verloren. Brentano verurteilt nicht das Streiten an sich, sondern das Abwenden vom „heiligsten Gebet“, also vom inneren, geistigen Ringen um Wahrheit und Freiheit. Der Feige, der sich diesem Ringen entzieht, ist geistig tot – ein hartes, fast prophetisches Urteil.
Insgesamt ist „Der Mensch ist frei“ ein machtvolles, pathetisches Bekenntnis zum geistigen Idealismus. Brentano verbindet hier religiösen Glaube, Naturbilder und ein kämpferisches Freiheitsverständnis zu einem Aufruf an das moralische Gewissen des Menschen – nicht um äußeren Sieg, sondern um innere Wahrhaftigkeit geht es.
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Lizenz und Verwendung
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