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Vorbei

Von

Und wenn du wieder zu mir trätest
und weinend um Verzeihung bätest,
es wird doch nimmer, wie es war:
das Glück ist tot, das wir genossen,
die Blüte, die sich uns erschlossen,
ist nun verwelkt, für immerdar.

Mir würde stets vor Augen stehen,
wie ich so maßlos dich gesehen
im Zorn, dem jeder Grund gebrach –
und bei dem Kuss von deinem Munde
gedächt ich doch der bösen Stunde,
als er so bittre Worte sprach.

In jener Stunde sank für immer
der fromme Glaube mir in Trümmer,
dass du mein Bild im Herzen trugst,
dass ich dein tiefstes Sein besessen – – –
vergeben kann ich – nicht vergessen:
die Wunde brennt, die du mir schlugst.

Nein, geh: ich hab es überwunden,
den Frieden hab ich jetzt gefunden,
den deine Liebe mir nicht gab.
Geh hin, vor deinen Gott zu treten –
und wenn ich sterbe, magst du beten
und weinen über meinem Grab.

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Gedicht: Vorbei von Clara Müller-Jahnke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vorbei“ von Clara Müller-Jahnke behandelt die endgültige Trennung zweier Liebender nach einem tiefen Vertrauensbruch. In klarer, schlichter Sprache bringt das lyrische Ich eine schmerzliche, aber entschlossene Absage an eine einst innige Verbindung zum Ausdruck. Der Titel selbst – „Vorbei“ – deutet bereits auf die Unumkehrbarkeit des Geschehenen hin und verleiht dem gesamten Gedicht eine Haltung der inneren Abrechnung.

Gleich zu Beginn wird deutlich, dass auch eine Reuegeste des ehemaligen Partners die Vergangenheit nicht mehr heilen kann: „es wird doch nimmer, wie es war“. Das Bild der verwelkten Blüte dient als Symbol für eine Liebe, die einst schön war, nun aber unwiderruflich zerstört ist. Dieses Bild der Verlorenheit zieht sich durch das gesamte Gedicht, begleitet von einer nüchternen Klarheit, die keinen Raum mehr für Hoffnung lässt.

Die zweite Strophe vertieft die Enttäuschung, indem sie zeigt, wie das Vergangene unauslöschlich das Gegenwärtige überlagern würde. Selbst Zärtlichkeiten wie ein Kuss wären für das lyrische Ich untrennbar mit Erinnerungen an verletzende Worte verbunden. Die Kraft dieser bitteren Erinnerung verhindert eine erneute Annäherung und betont, dass Vergebung allein nicht genügt, wenn das Vertrauen zerbrochen ist.

Besonders stark ist das Motiv des zertrümmerten Glaubens an die Echtheit der Liebe. Die Enttäuschung reicht tief – es ist nicht nur die Liebe, die verlorenging, sondern auch das Gefühl, im anderen wirklich gesehen und angenommen worden zu sein. Vergeben ist möglich, doch vergessen nicht – die seelische Wunde bleibt offen. Diese Differenzierung zeigt die emotionale Reife des lyrischen Ichs, das nicht aus Hass, sondern aus Selbsterkenntnis handelt.

In der letzten Strophe findet sich eine beinahe versöhnliche Ruhe: Das lyrische Ich hat den inneren Frieden gefunden, den die Liebe nicht schenken konnte. Der letzte Appell an den ehemaligen Geliebten, nun vor „seinen Gott“ zu treten, verlagert die Verantwortung ins Spirituelle – als ob das endgültige Urteil nicht mehr dem Menschen, sondern einer höheren Instanz obliege. Das Schlussbild vom Weinen am Grab verweist auf eine späte, aber folgenlose Reue. Das Gedicht endet damit in einer Haltung der Selbstbehauptung und der Unumkehrbarkeit innerer Entscheidung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.