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Glut

Von

Mit roten Kressen hatt‘ ich mich geschmückt –
du hast sie jäh an deiner Brust zerdrückt.

Mit bleichen Wangen bot ich dir den Gruß –
in Flammenwogen tauchte sie dein Kuss.

Mit ruhigem Herzschlag trat ich zu dir her, –
und nun, und nun: ich kenne mich nicht mehr …

Nun lachst du mich verstohlen an
mit dunklem Auge, du fremder Mann;
mit brennender Lippe streifst du mich –
heiß pocht mein Herz: ich kenne dich!

Aus schwüler Träume Zauberspuk,
aus Wüstenschemen voll Lug und Trug,
aus Frühlingsnächten voll Windeswehn
hab ich dein Bild mir winken sehn!

Aus düster flammendem Morgenrot,
das Hagelschauer den Saaten droht,
aus lohendem Blitz, wenn ein Wetter braut,
hat schon dein Auge mich angeschaut …

Nun trittst du selbst in meinen Pfad:
ich weiß, dass mein Verhängnis naht;
mit brennender Lippe streifst du mich –
wild rast mein Blut – ich grüße dich!

Und als ich aus dem liebebangen,
dem Kindertraum emporgeschreckt,
hieltest du meine Hand umfangen
und hast mit Küssen sie bedeckt.

Ich hab im Blick dir lodern sehen
der Sehnsucht zwingende Gewalt – –
ich sah die Fieberschauer gehen
durch deine trotzige Gestalt.

Umsonst! umsonst nun Kampf und Beben:
du hast gewusst, was dir gefrommt …
ein Blütenopfer war dein Leben,
neige dein Haupt – der Herbststurm kommt!

Auf meinen Lippen brennt dein Kuss,
er brennt wie Feuer und Sünde,
er brennt wie himmlischer Hochgenuss
und macht mich zum schwachen Kinde.

Viel wilde Rosen erblühn und glühn
und glühn und verwelken am Hage –
und der Wald ist duftig, der Wald ist grün
am leuchtenden Julitage …

Vom Meer herauf die Sonne grüßt,
Tautropfen am Riedgras beben: – –
wir haben uns kaum Willkommen geküsst
und sollen uns Abschied geben!

Und gehen sollst du, geliebter Mann,
mit all‘ dem zitternden Bangen,
mit der ungelöschten Glut hindann –
und durften uns kaum umfangen.

Wie lange währt es, so schwillt der Wein,
im Felde die Sicheln klingen;
all‘, was da blühte im Sonnenschein,
wird reifen und Früchte bringen.

Die Luft wird kühl, und das Laub verdorrt,
Schnee liegt auf Hängen und Hagen …
wir aber werden von Ort zu Ort
die zehrenden Gluten tragen.

Ich lag in deinen Armen
in willenloser Haft,
durch deine Seele brauste
der Sturm der Leidenschaft.

Du zogst an deine Lippen
aufjauchzend meine Hand –
auf deiner stolzen Stirne
ein Wort geschrieben stand.

In schweren dunklen Zügen
ein rätselwirres Wort, –
ich seh‘ vor meinen Augen
es leuchten immerfort.

Es glüht in meinem Herzen
und brennt sich in mein Hirn,
es lockt mich in die Hölle
das Wort auf deiner Stirn …

Und weil du meinem besseren Wesen mich
entfremdet hast in jener schwülen Stunde,
weil ich dich liebe, darum hass‘ ich dich,
ja, hass‘ ich dich aus meines Herzens Grunde!

Ich rüttle wild das eiserne Geflecht,
das ich mir selber habe schmieden müssen;
in deinen Armen hass‘ ich dich erst recht –
und töten möcht‘ ich dich mit meinen Küssen!

Laut pocht mein Herz – und dürstend blickt dein Aug‘:
den Becher hebst du, – wohl, so lass uns trinken!
Verglühen sollst du noch in meinem Hauch
und sterbend mit mir in die Flammen sinken!

Und siehst du nicht auf meiner Stirn
das blutige Mal, den roten Streif? –
Er drückte weh und wund mein Hirn,
und ich zerbrach den Kettenreif.

Des frommen Spieles ward ich müd,
aus meinem Herzen bricht ein Schrei:
es wogt die Nacht – die Lippe glüht –
und aller Bande bin ich frei!

Zieh mich noch einmal an deine Brust,
erstick mich in lodernden Küssen:
wir haben vom ersten Blick ja gewusst,
wie bald wir scheiden müssen.

Wir haben geschwelgt in heißem Genuss,
als gält‘ es ein ewiges Meiden,
und doppelt geküsst jeden feurigen Kuss,
als wär‘ es der letzte vorm Scheiden!

Bei dem die Minne am längsten wohnt,
nicht der mag am besten fahren – –
wir haben genossen in einem Mond
die Seligkeit von Jahren!

Ich habe aus dem übervollen
Pokal der Liebe rasch gezecht,
ich nahm im Sturm, im heißen, tollen
lenzseligen Rausch mein Jugendrecht.
Dann hat der Trotz zu roten Flammen
empört in mir das wilde Blut –
und all mein Leben brach zusammen
in schrankenloser Liebesglut.

Was mir das Reinste schien und Beste,
begraben liegt’s im Flammenschoß.
Am glühend heißen Aschenreste
harre ich schauernd atemlos
des lichten Wunders, das sich zeigen:
des Phönix, der da lebensvoll
aus toten Erdengluten steigen
und mich gen Himmel tragen soll.

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Gedicht: Glut von Clara Müller-Jahnke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Glut“ von Clara Müller-Jahnke ist ein expressiver, leidenschaftlich aufgeladener Liebesmonolog, der das gesamte emotionale Spektrum einer überwältigenden, fast zerstörerischen Liebe durchschreitet – von sinnlicher Hingabe über rauschhafte Ekstase bis hin zu Schmerz, Hass und spiritueller Hoffnung auf Wiedergeburt. Es ist eine Liebesgeschichte in dichter, rhythmischer Sprache, durchzogen von Bildern des Feuers, der Nacht und der Natur.

Zentral ist das Motiv der Glut, das sich wie ein roter Faden durch alle Strophen zieht: Die Liebe wird als lodernde, verzehrende Kraft dargestellt, die keine Mäßigung kennt. Sie beginnt fast spielerisch – mit roten Kressen, einem Gruß, einem Kuss – doch rasch kippt die Stimmung in einen Zustand innerer Auflösung: „ich kenne mich nicht mehr“. Die Begegnung mit dem Geliebten wirbelt das Selbstbild des lyrischen Ichs durcheinander, bringt es aus der Fassung, entfremdet es von sich selbst.

In den mittleren Abschnitten wird die Erscheinung des Geliebten zunehmend mythisch überhöht: Er ist eine Gestalt aus Träumen, ein unheilvoller Fremder, der sich nun als wirklich erweist. Der Moment der Liebeserfüllung wird in rauschhafte Bilder gefasst – voll von sinnlicher Dringlichkeit und gleichzeitiger Vorahnung des Endes. Die Trennung ist von Anfang an gegenwärtig, wodurch jeder Kuss, jede Berührung doppelte Bedeutung erhält: „als wär’s der letzte vorm Scheiden“.

Die letzte Phase des Gedichts ist von einer dramatischen inneren Zerrissenheit geprägt. Das Ich schwankt zwischen Liebe und Hass, zwischen Wunsch nach völliger Verschmelzung und dem Drang zur Selbstzerstörung. Die Liebe hat alle Grenzen aufgelöst – „ich zerbrach den Kettenreif“ – und doch führt sie nicht zur Freiheit, sondern zum inneren Zusammenbruch. In diesen Versen zeigt sich die Liebe nicht als romantische Erfüllung, sondern als existenzielle Erschütterung.

Und doch endet das Gedicht nicht in Resignation. In der finalen Vision kehrt das Motiv des Feuers erneut, diesmal in Form des Phönix. Die Hoffnung auf eine neue, geistige Geburt – jenseits der zerstörerischen Leidenschaft – verleiht dem Gedicht eine transzendente Dimension. Das lyrische Ich wartet „schauernd atemlos“ auf den Moment, in dem aus der Asche der verbrannten Liebe ein neues, geläutertes Selbst aufersteht. So wird „Glut“ zu einem eindringlichen Zeugnis über die transformative Kraft der Liebe – eine Kraft, die vernichten, aber auch erneuern kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.