Flamme
Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!
Die Glut bin ich – und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!
Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuss wie tropfend Erz!
Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein, zaub’risch wunderfein,
dass du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein…
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Flamme“ von Clara Müller-Jahnke ist ein leidenschaftlicher Aufruf zur Hingabe – sinnlich, fordernd und zugleich metaphorisch aufgeladen. In der Figur des lyrischen Ichs verschmilzt die sprechende Stimme mit dem Bild des Feuers: einer Glut, die nicht zerstört, sondern verwandelt. Die Liebe wird hier nicht als sanftes Gefühl dargestellt, sondern als überwältigende, beinahe elementare Kraft, die mit körperlicher und seelischer Vereinnahmung einhergeht.
Schon in der ersten Strophe zeigt sich dieser Zugriff: Die Flamme „züngelt“ am Haupt, der Atem ist „liebeheiß“, die „Flammenarme“ drängen sich auf. Diese sinnliche Bildsprache zielt auf die unmittelbare Wirkung: Die Liebe brennt, wärmt, verzehrt – und duldet keinen Widerstand. Der Geliebte scheint sich zunächst zu sträuben, doch das lyrische Ich verlangt absolute Hingabe.
Die zweite Strophe bringt diesen Anspruch klar auf den Punkt: Das Alltagskleid – Symbol für soziale Konventionen, Zurückhaltung oder persönliche Grenzen – soll abgelegt werden. Gefordert wird die „nackte Herrlichkeit“ der Seele, ein Zustand völliger Entblößung und Wahrhaftigkeit. Diese Liebe kennt kein Maß, sie will den ganzen Menschen, kompromisslos und intensiv.
Auch in der dritten Strophe setzt sich das Motiv der Verschmelzung fort: Die Kette, die den Geliebten bisher gebunden hat, soll im heißen Kuss schmelzen wie Erz – ein Bild für Transformation durch Leidenschaft. Die Liebe wird zur Schmelzflamme, zum Umwandlungsprozess, der das Alte überwindet und neue Freiheit schenkt.
Die vierte Strophe schließlich spricht von geistiger Vereinnahmung: ein „zaub’risch wunderfein[es]“ Wörtlein, das den Geliebten ganz auf das Ich fixieren soll. Die Wiederholung „mich allein, mich allein“ macht deutlich: Die Liebe in diesem Gedicht ist besitzergreifend, exklusiv, beinahe magisch in ihrer Wirkung. So ist „Flamme“ ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Liebe, die nicht halb, sondern ganz will – brennend, fordernd und transformierend zugleich.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.