Eisnacht
Wie in Seide ein Königskind
schläft die Erde in lauter Schnee,
blauer Mondscheinzauber spinnt
schimmernd über der See.
Aus den Wassern der Raureif steigt,
Büsche und Bäume atmen kaum:
durch die Nacht, die erschauernd schweigt,
schreitet ein glitzernder Traum.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Eisnacht“ von Clara Müller-Jahnke ist eine stimmungsvolle Miniatur, die in wenigen Zeilen eine zauberhafte, fast entrückte Winterlandschaft erschafft. Mit zarter Bildsprache und ruhigem Rhythmus vermittelt die Lyrikerin eine Atmosphäre der Stille, des Schlafs und des Wunders – zugleich natürlich und märchenhaft.
Die erste Strophe zeichnet ein Bild von vollkommener Ruhe: Die Erde liegt wie ein „Königskind“ in Schnee gehüllt, geborgen, kostbar und unberührt. Der Vergleich mit Seide und der Bezug auf königliche Würde verleihen der Szene etwas Erhabenes. Der „blaue Mondscheinzauber“ verstärkt diesen Eindruck durch sein mystisches, beinahe überirdisches Licht. Die Beschreibung wirkt wie ein Blick in ein Märchenbild oder einen Traumschlaf.
In der zweiten Strophe steigert sich diese fast übernatürliche Atmosphäre: Der Raureif steigt auf wie aus einer anderen Welt, die Natur scheint den Atem anzuhalten. Das Bild von Büschen und Bäumen, die „kaum atmen“, bringt die tiefe, frostige Stille der Winternacht auf den Punkt. Alles wirkt wie eingefroren im Moment, wie in einem Zwischenzustand.
Am Ende tritt der „glitzernde Traum“ in die Szene – eine personifizierte Erscheinung, die durch die schweigende Nacht schreitet. Dieses Bild verbindet die sinnlich-konkrete Winterwelt mit der Sphäre des Imaginären und bringt damit das zentrale Motiv des Gedichts auf den Punkt: Die Nacht ist nicht nur kalt und still, sie ist auch Trägerin von Schönheit, Verwandlung und Magie.
„Eisnacht“ ist damit ein poetisches Stimmungsbild von großer Zartheit und Intensität. In wenigen Versen entfaltet Müller-Jahnke ein Naturbild, das zugleich Seelenlandschaft ist – ein Gleichnis für inneres Innehalten, für Traum und Verzauberung in der winterlichen Stille.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.