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Lied der Freude

Von

Ach! was wollt ihr, trübe Sinnen
Doch beginnen!
Traurigsein hebt keine Noth;
Es verzehret nur die Herzen,
Nicht die Schmerzen,
Und ist ärger, als der Tod.

Dornenreiches Ungelücke,
Donnerblicke
Und des Himmels Härtigkeit
Wird kein Kummer linder machen;
Alle Sachen
Werden anders mit der Zeit.

Sich in tausend Thränen baden,
Bringt nur Schaden
Und verlöscht der Jugend Licht.
Unser Seufzen wird zum Winde;
Wie geschwinde
Aendert sich der Himmel nicht!

Heute will er Hagel streuen,
Feuer dräuen;
Bald gewährt er Sonnenschein;
Manches Irrlicht voller Sorgen
Wird uns morgen
Ein bequemer Leitstern sein.

Bei verkehrtem Spiele singen,
Sich bezwingen,
Reden, was uns nicht gefällt,
Und bei trübem Geist und Sinnen
Scherzen können,
Ist ein Schatz der klugen Welt.

Ueber das Verhängniß klagen,
Mehrt die Plagen
Und verräth die Ungeduld;
Solchem, der mit gleichem Herzen
Trägt die Schmerzen,
Wird der Himmel endlich hold.

Auf, o Seele, du mußt lernen,
Ohne Sternen,
Wenn das Wetter tobt und bricht,
Wenn der Nächte schwarze Decken
Uns erschrecken,
Dir zu sein dein eigen Licht.

Du mußt dich in dir ergötzen
Mit den Schätzen,
Die kein Feind zu nichte macht
Und kein falscher Freund kann kränken
Mit den Ränken,
Die sein leichter Sinn erdacht.

Von der süßen Kost zu scheiden
Und zu meiden,
Was des Geistes Trieb begehrt,
Sich in sich stets zu bekriegen
Und zu siegen,
Ist der besten Krone werth.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Lied der Freude von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lied der Freude“ von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau ist eine barocke Ermutigung zur inneren Stärke und Lebensbejahung trotz widriger Umstände. In einer Zeit, die vom Bewusstsein der Vergänglichkeit und der Unbeständigkeit geprägt war, formuliert das lyrische Ich eine klare Absage an Verzweiflung, Traurigkeit und Klage – zugunsten einer Haltung der Gelassenheit, Selbstbeherrschung und inneren Freude.

Bereits in der ersten Strophe wird das zentrale Motiv eingeführt: „Traurigsein hebt keine Noth“. Kummer lindert kein Leid, sondern steigert es nur. Die Vorstellung, dass die Schmerzen „ärger als der Tod“ seien, verweist auf die barocke Vorstellung, dass seelisches Leiden gefährlicher als das physische Ende sein kann. Statt sich in Trauer zu verlieren, soll man auf die Wandlungsfähigkeit des Lebens vertrauen: Alles ist dem Wechsel unterworfen – was heute droht, kann morgen schon segensreich sein.

Hoffmannswaldau bedient sich dabei zahlreicher Naturbilder, um den ständigen Wandel zu verdeutlichen: Hagel und Feuer weichen dem Sonnenschein, Irrlichter der Nacht verwandeln sich in „bequeme Leitsterne“. Diese Metaphorik betont, dass selbst das Verwirrende, Furchterregende Teil eines größeren Kreislaufs ist. Das Ziel ist nicht, das Schicksal zu ändern, sondern es mit Würde und Einsicht zu tragen.

Besondere Wertschätzung erfährt im Gedicht die Fähigkeit, „bei trübem Geist und Sinnen / Scherzen können“. Das bedeutet, selbst im Unglück heiter zu bleiben – eine Kunst der Selbstüberwindung, die hier als „Schatz der klugen Welt“ gepriesen wird. Die Freude, die das lyrische Ich anstrebt, ist nicht oberflächlich oder ausgelassen, sondern tief verwurzelt in der Vernunft, in der Erkenntnis, dass Klage und Widerstand gegen das Schicksal nur neue Leiden schaffen.

Im letzten Drittel des Gedichts richtet sich die Stimme direkt an die Seele. Sie wird aufgefordert, „dir zu sein dein eigen Licht“ – also sich selbst Trost, Kraft und Orientierung zu geben, auch wenn die äußere Welt dunkel ist. Die wahren Schätze des Lebens sind für Hoffmannswaldau jene inneren Werte, die kein Feind rauben und kein Freund verraten kann. Das Gedicht gipfelt in der Aufforderung zur Selbstdisziplin: Den Geist zu zügeln, sich selbst zu überwinden und im inneren Kampf zu siegen – das ist die wahre Krone menschlicher Größe.

„Lied der Freude“ ist somit kein leichtes Lob der Lust, sondern eine tiefgründige Anleitung zur seelischen Autonomie und zum maßvollen Leben. Es spiegelt die barocke Weltsicht, die in der Unbeständigkeit des Lebens nicht nur Bedrohung, sondern auch Möglichkeit zur Tugend erkennt – und in der Freude eine Haltung der Stärke und Selbstbeherrschung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.