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Die Welt

Von

Was ist die Welt, und ihr berühmtes gläntzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurtzgefasten Grentzen,
Ein schneller Blitz, bey schwarzgewölckter Nacht;
Ein bundtes Feld, da Kummerdisteln grünen;
Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt.
Ein Sclavenhauß, da alle Menschen dienen,
Ein faules Grab, so Alabaster deckt.

Das ist der Grund, darauff wir Menschen bauen,
Und was das Fleisch für einen Abgott hält.
Komm Seele, komm, und lerne weiter schauen,
Als sich erstreckt der Zirckel dieser Welt.
Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen,
Halt ihre Lust für eine schwere Last.
So wirst du leicht in diesen Port gelangen,
Da Ewigkeit und Schönheit sich umbfast.

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Gedicht: Die Welt von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Welt“ von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau ist ein typisches Beispiel barocker Vanitas-Dichtung, das die Vergänglichkeit und Täuschung irdischer Schönheit betont. In scharfen, bildhaften Vergleichen entlarvt das lyrische Ich die Welt als trügerisch, krank und letztlich wertlos – zumindest im Vergleich zur geistigen, ewigen Wirklichkeit, die der Seele vorbehalten ist.

Gleich zu Beginn stellt das Gedicht die „berühmte Pracht“ der Welt infrage und entlarvt sie als „schnöden Schein“ innerhalb enger Grenzen. Der Vergleich mit einem „schnellen Blitz bei schwarzgewölkter Nacht“ verstärkt die Flüchtigkeit des weltlichen Glanzes: Kurz sichtbar, aber eingebettet in Dunkelheit und Gefahr. Die Welt wird als bunter, verlockender Ort beschrieben, doch auf diesem Feld wachsen keine Blumen, sondern „Kummerdisteln“. Auch das Bild des Spitals zeigt: Unter schöner Oberfläche verbirgt sich Krankheit.

Besonders drastisch ist das Bild des „faulen Grabs, so Alabaster deckt“. Der schöne, glatte Grabstein verbirgt innerlich Verwesung – ein starkes Vanitas-Symbol, das auf die Diskrepanz zwischen äußerem Glanz und innerer Wahrheit hinweist. Die Welt ist zudem ein „Sclavenhauß“, in dem alle Menschen dienen – eine Anspielung auf die Unfreiheit in einem System der sinnlichen Begierden und materiellen Abhängigkeit.

Im zweiten Teil wendet sich das lyrische Ich direkt an die Seele. Es fordert zur Umkehr auf – weg vom „kurzen Prangen“ der Welt, hin zu einer höheren, ewigen Sphäre. Die Lust der Welt wird zur „schweren Last“ umgedeutet. Nur wer sich von der Illusion der Welt löst, kann den „Port“ erreichen, den sicheren Hafen, in dem „Ewigkeit und Schönheit sich umbfast“. Diese Wendung ins Spirituelle ist typisch für die barocke Weltanschauung, in der das Diesseits als Vorbereitung auf das Jenseits verstanden wird.

Hoffmannswaldau verbindet in diesem Gedicht eindrucksvoll eine starke Bildsprache mit moralischer Belehrung. Die Welt erscheint als Scheinwelt, deren Verlockung gefährlich ist – nur der geistige Blick über ihre Grenzen hinaus verspricht wahre Erkenntnis und Erlösung. So wird das Gedicht zu einer Mahnung zur geistigen Wachsamkeit und zur Absage an oberflächliche Weltfreude.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.