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Wider den Geiz

Von

Wohl dem, der beßre Schätze liebt,
Als Schätze dieser Erden!
Wohl dem, der sich mit Eifer übt,
An Tugend reich zu werden;
Und in dem Glauben, des er lebt,
Sich über diese Welt erhebt!

Wahr ist es, Gott verwehrt uns nicht,
Hier Güter zu besitzen.
Er gab sie uns, und auch die Pflicht,
Mit Weisheit sie zu nützen.
Sie dürfen unser Herz erfreun,
Und unsers Fleißes Antrieb sein.

Doch nach den Gütern dieser Zeit
Mit ganzer Seele schmachten,
Nicht erst nach der Gerechtigkeit
Und Gottes Reiche trachten;
Ist dieses eines Menschen Ruf,
Den Gott zur Ewigkeit erschuf?

Der Geiz erniedrigt unser Herz,
Erstickt die edlern Triebe.
Die Liebe für ein schimmernd Erz
Verdrängt der Tugend Liebe,
Und machet, der Vernunft zum Spott,
Ein elend Gold zu deinem Gott.

Der Geiz, so viel er an sich reißt,
Läßt dich kein Gut genießen;
Er quält durch Habsucht deinen Geist,
Und tötet dein Gewissen,
Und reißt durch schmeichelnden Gewinn
Dich blind zu jedem Frevel hin.

Um wenig Vorteil wird er schon
Aus dir mit Meineid sprechen;
Dich zwingen, der Arbeiter Lohn
Unmenschlich abzubrechen;
Er wird in dir der Witwen Flehn,
Der Waisen Tränen widerstehn.

Wie könnt ein Herz, vom Geize hart,
Der Wohltat Freuden schmecken,
Und in des Unglücks Gegenwart
Den Ruf zur Hülf entdecken?
Und wo ist eines Standes Pflicht,
Die nicht der Geiz entehrt und bricht?

Du bist ein Vater; und aus Geiz
Entziehst du dich den Kindern,
Und lässest dich des Goldes Reiz,
Ihr Herz zu bilden, hindern;
Und glaubst, du habst sie wohl bedacht,
Wenn du sie reich, wie dich, gemacht.

Du hast ein richterliches Amt;
Und du wirst dich erfrechen,
Die Sache, die das Recht verdammt,
Aus Habsucht recht zu sprechen;
Und selbst der Tugend größter Feind
Erkauft an dir sich einen Freund.

Gewinnsucht raubt dir Mut und Geist,
Die Wahrheit frei zu lehren;
Du schweigst, wenn sie dich reden heißt,
Ehrst, wo du nicht sollst ehren,
Und wirst um ein verächtlich Geld
Ein Schmeichler, und die Pest der Welt.

Erhalte mich, o Gott! dabei,
Daß ich mir gnügen lasse,
Geiz ewig als Abgötterei
Von mir entfern und hasse.
Ein weises Herz und guter Mut
Sei meines Lebens größtes Gut!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wider den Geiz von Christian Fürchtegott Gellert

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wider den Geiz“ von Christian Fürchtegott Gellert ist eine moralische Mahnung gegen die Habsucht und den übermäßigen Drang nach materiellem Besitz. Es stellt den Reichtum an Tugend und Glauben als wahre Werte dar, während es den Geiz als zerstörerische Kraft entlarvt, die das Herz verhärtet und die menschliche Würde untergräbt. Der Sprecher betont, dass Gott den Menschen zwar erlaubt hat, Güter zu besitzen, sie jedoch mit Weisheit genutzt werden sollen, anstatt zur Hauptsache im Leben zu werden.

Gellert beschreibt eindringlich die negativen Folgen des Geizes: Er erniedrigt die Seele, verdrängt die Tugendliebe und führt dazu, dass Menschen ihr Gewissen opfern. Besonders drastisch wird geschildert, wie der Geiz zu Unrecht, Betrug und Herzlosigkeit führt – etwa durch das Vorenthalten von Lohn, die Missachtung von Waisen oder die Bestechlichkeit von Richtern. Das Streben nach Geld wird als moralischer Verfall dargestellt, der den Charakter korrumpiert und zu unmenschlichem Verhalten verleitet.

Im letzten Abschnitt richtet sich das lyrische Ich direkt an Gott und bittet um Bewahrung vor der Versuchung des Geizes. Stattdessen wünscht es sich Weisheit und ein zufriedenes Herz, da wahres Glück nicht im Besitz, sondern in einem tugendhaften Leben liegt. Gellerts Gedicht ist damit nicht nur eine religiös-moralische Belehrung, sondern auch eine zeitlose Reflexion über die Gefahren der Habsucht und die wahre Quelle menschlichen Glücks.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.