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Der unsterbliche Autor

Von

Ein Autor schrieb sehr viele Bände
Und ward das Wunder seiner Zeit;
Der Journalisten güt’ge Hände
Verehrten ihm die Ewigkeit.
Er sah, vor seinem sanften Ende,
Fast alle Werke seiner Hände
Das sechste Mal schon aufgelegt
Und sich mit tiefgelehrtem Blicke
In einer spanischen Perücke
Vor jedes Titelblatt geprägt.
Er blieb vor Widersprechern sicher
Und schrieb bis an den Tod, da ihn der Tod entseelt;
Und das Verzeichnis seiner Bücher,
Die kleinen Schriften mitgezählt,
Nahm an dem Lebenslauf allein
Drei Bogen und drei Seiten ein.

Man las nach dieses Mannes Tode
Die Schriften mit Bedachtsamkeit;
Und seht, das Wunder seiner Zeit
Kam in zehn Jahren aus der Mode,
Und seine göttliche Methode
Hieß eine bange Trockenheit.
Der Mann war bloß berühmt gewesen,
Weil Stümper ihn gelobt, eh‘ Kenner ihn gelesen.

Berühmt zu werden, ist nicht schwer,
Man darf nur viel für kleine Geister schreiben;
Doch bei der Nachwelt groß zu bleiben,
Dazu gehört noch etwas mehr
Als, seicht am Geist, in strenger Lehrart schreiben.

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Gedicht: Der unsterbliche Autor von Christian Fürchtegott Gellert

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der unsterbliche Autor“ von Christian Fürchtegott Gellert setzt sich kritisch mit dem literarischen Ruhm und der Vergänglichkeit modischer Berühmtheit auseinander. Es erzählt die Geschichte eines Autors, der zu Lebzeiten hochgelobt wird, dessen Werke vielfach aufgelegt werden und der sich sogar mit seinem Porträt auf den Titelblättern verewigt sieht. Doch sein Ruhm basiert nicht auf wahrer literarischer Qualität, sondern auf oberflächlicher Anerkennung durch wenig kritische Zeitgenossen.

Nach seinem Tod zeigt sich die Wahrheit: Die einst gefeierten Schriften verlieren schnell an Bedeutung und gelten bald als trocken und uninteressant. Die einst so bewunderte „göttliche Methode“ erweist sich als bloße Modeerscheinung. Gellert führt damit vor Augen, dass Popularität nicht mit literarischer oder geistiger Tiefe gleichzusetzen ist – wahre Größe besteht nicht in quantitativer Produktion, sondern in nachhaltiger inhaltlicher Substanz.

Die abschließenden Verse bringen die Moral des Gedichts auf den Punkt: Es ist leicht, berühmt zu werden, wenn man sich an ein unkritisches Publikum richtet, das sich mit seichter Kost zufriedengibt. Doch um auch für die Nachwelt bedeutend zu bleiben, braucht es weit mehr als blumige Worte und leere Lehrhaftigkeit. Gellert kritisiert damit eine Literatur, die mehr auf den schnellen Erfolg als auf dauerhafte Qualität setzt, und plädiert für eine tiefere, gehaltvollere Dichtung, die den Geist wirklich bereichert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.