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Die Frage

Von

Warum ist mir das Morgenrot
So blutgestreift? die Welt so tot?
Warum strahlt mir das Sonnenlicht
Oft so beschwerlich ins Gesicht?
Und warum weint die Wolke mir?
Was traurt der Linde Blütenzier?
Die Lüfte wimmern: jedes Bild
Ist mir in Trauerflor gehüllt! –
Der Tau, beglänzt vom Sonnenschein,
Deucht mir vom Schmerz geweint zu sein,
Die Wohlgerüche in der Luft
Umschwimmen mich wie Gräberduft;
Die lieben Blümlein allzumal
Sind mir versengt vom Sonnenstrahl.
Der Vogel aus der Luft herab
Tönt mir wie Sterbgesang am Grab;
Und alles, alles um mich her
Scheint kummervoll und tränenschwer.
Die Farben grün und weiß und rot
Sind abgestanden, schwarz und tot.
Die Menschen, deren Trost ich such,
Sind Geister, die im Leichentuch
Mich ansehn bleich und furchtbar-stumm:
Du guter Gott! warum, warum?
Hast du der ganzen Erde Pracht
Zu einem Totenschlund gemacht? –
Ach nein! die Welt ist noch wie vor,
Nur dem, der Freiheit! dich verlor,
Ist diese Welt, so schön gemacht,
Ein Totenschlund voll Fluch und Nacht;
Wo alles heult, den Schädel schlägt,
Verzweiflung brüllt – und Ketten trägt! –
O Gott im Himmel, mach mich frei
Aus dieser Höllentäuscherei!! –

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Frage von Christian Friedrich Daniel Schubart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Frage“ von Christian Friedrich Daniel Schubart thematisiert eine tiefe seelische Krise, in der das lyrische Ich die Welt als düster, bedrückend und tot empfindet. Beginnend mit einer Reihe eindringlicher Fragen wird die Wahrnehmung der Natur als Spiegel innerer Verzweiflung dargestellt: Das Morgenrot erscheint „blutgestreift“, der Tau scheint „vom Schmerz geweint“ zu sein, und selbst der Gesang der Vögel klingt wie ein „Sterbgesang“.

Schubart nutzt konsequent dunkle und morbid gefärbte Naturbilder, um die subjektive Welterfahrung des Ichs auszudrücken. Die Farben der Natur sind verblasst, das einst blühende Leben wirkt wie in Trauer getaucht. Auch die Menschen erscheinen nicht als Trostspender, sondern als geisterhafte, bleiche Erscheinungen, wodurch sich das Gefühl der Isolation und Entfremdung noch verstärkt.

Im letzten Teil des Gedichts wird klar, dass diese Wahrnehmung aus einem Verlust der „Freiheit“ resultiert. Das lyrische Ich erkennt, dass nicht die Welt an sich verdorben ist, sondern seine eigene gebrochene Existenz die Wahrnehmung verdunkelt. Freiheit wird hier als existenzielles Gut dargestellt, dessen Verlust die lebendige Welt in einen „Totenschlund“ verwandelt. Die Ketten, von denen die Rede ist, könnten auf äußere politische Unterdrückung oder auf innere seelische Gefangenschaft deuten.

Das Gedicht mündet in einen verzweifelten Aufschrei zu Gott um Erlösung aus dieser „Höllentäuscherei“. Schubart verleiht damit nicht nur einem individuellen Schmerz Ausdruck, sondern formuliert auch ein allgemeines Empfinden von Ausweglosigkeit und der Sehnsucht nach Befreiung. Möchtest du noch eine kurze Erklärung zur möglichen politischen Dimension dieses Gedichts?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.