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Christel

Von

Hab′ oft einen dampfen, düstern Sinn,
Ein gar so schweres Blut!
Wenn ich bei meiner Christel bin,
Ist alles wieder gut.
Ich seh sie dort, ich seh′ sie hier
Und weiß nicht auf der Welt,
Und wie und wo und wann sie mir,
Warum sie mir gefällt.

Das schwarze Schelmenaug′ dadrein,
Die schwarze Braue drauf,
Seh ich ein einzig Mal hinein,
Die Seele geht mir auf.
Ist eine, die so lieben Mund,
Liebrunde Wänglein hat?
Ach, und es ist noch etwas rund,
Da sieht kein Aug′ sich satt!

Und wenn ich sie denn fassen darf
Im luft′gen deutschen Tanz,
Das geht herum, das geht so scharf,
Da fühl ich mich so ganz!
Und wenn′s ihr taumlig wird und warm,
Da wieg ich sie sogleich
An meiner Brust, in meinem Arm;
′s ist mir ein Königreich!

Und wenn sie liebend nach mir blickt
Und alles rund vergißt,
Und dann an meine Brust gedrückt
Und weidlich eins geküßt,
Das läuft mir durch das Rückenmark
Bis in die große Zeh′!
Ich bin so schwach, ich bin so stark,
Mir ist so wohl, so weh!

Da möcht′ ich mehr und immer mehr,
Der Tag wird mir nicht lang;
Wenn ich die Nacht auch bei ihr wär′,
Davor wär′ mir nicht bang.
Ich denk′, ich halte sie einmal
Und büße meine Lust;
Und endigt sich nicht meine Qual,
Sterb ich an ihrer Brust!

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Gedicht: Christel von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Christel“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine leidenschaftliche Liebeserklärung, die die überschwängliche Freude und die tiefen Gefühle des lyrischen Ichs für seine Geliebte, Christel, einfängt. Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der dunklen und schweren Gemütsverfassung des Sprechers, die sich augenblicklich bessert, sobald er in der Nähe von Christel ist. Bereits in den ersten Versen wird die zentrale Bedeutung Christels für das Wohlbefinden des Sprechers deutlich. Ihre bloße Anwesenheit hat eine positive, ja fast magische Wirkung auf ihn, verwandelt Traurigkeit in Glück.

In den folgenden Strophen werden Christels äußere Merkmale detailliert beschrieben, insbesondere ihre „schwarzen Schelmenaugen“ und die „schwarze Braue“. Die Schönheit Christels wird durch die detailreiche Beschreibung hervorgehoben, die nicht nur von der visuellen Anziehungskraft, sondern auch von der emotionalen Wirkung auf den Sprecher zeugt. Die erotische Komponente der Liebe wird subtil angedeutet, insbesondere durch die Betonung von Christels „lieben Mund“ und „lieblinden Wänglein“. Die Beschreibung geht bis ins Detail, was die tiefe Faszination und Verehrung des Sprechers für seine Geliebte unterstreicht. Der Tanz, der in der dritten Strophe beschrieben wird, wird als eine Vereinigung erlebt, in der der Sprecher sich „so ganz“ fühlt.

Die vierte Strophe erreicht einen Höhepunkt der Leidenschaft, wenn die beiden sich küssen. Die Intensität des Gefühls wird durch die physischen Reaktionen des Sprechers ausgedrückt: Das Gefühl „läuft durch das Rückenmark“ und er fühlt sich zugleich schwach und stark. Diese Ambivalenz spiegelt die Zerrissenheit wider, die mit tiefer Liebe einhergehen kann – das Gefühl der Ohnmacht und der grenzenlosen Kraft zugleich. Das Gedicht kulminiert in einem Wunsch nach unendlicher Vereinigung.

Die abschließende Strophe verdeutlicht die alles verzehrende Natur der Liebe, die den Sprecher sowohl in Ekstase versetzt als auch in Todessehnsucht treibt. Der Wunsch, „mehr und immer mehr“ von Christel zu haben, und die Bereitschaft, Tag und Nacht mit ihr zu verbringen, zeigen die Intensität seiner Gefühle. Die abschließenden Zeilen – „Und endigt sich nicht meine Qual, / Sterb ich an ihrer Brust!“ – veranschaulichen die paradoxe Natur der Liebe: Sie ist sowohl Quelle unendlicher Freude als auch extremer Qual, sodass der Sprecher bereit ist, sogar den Tod zu akzeptieren, solange er ihn in den Armen seiner Geliebten findet. Das Gedicht zeugt von einer tiefen, alles verzehrenden Liebe, die von der äußeren Erscheinung bis hin zu den innersten Emotionen der Liebenden reicht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.