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Trennung

Von

Maienlüste wehen durch die Haine,
Blüthen brechen aus dem Keim hervor;
In der Sonne mütterlichem Scheine
Richtet sich die Pflanzenwelt empor.
Vögel singen in den grünen Zweigen,
Käfer schweben freudig hin und her –
Doch aus mir will nicht der Winter weichen,
Und das Herz ist mir erstarrt und schwer.

Sonst begrüßt‘ ich gern das rege Leben,
Das im Lenz sich jugendlich erneut,
Und mit ahnungsvollem, süßem Beben,
Füllte mich des Jahres Erstlingszeit.
Aber jetzt verdunklen bittre Thränen
Mir die frische, lächelnde Natur,
Und des Busens ungestilltes Sehnen,
Zeigt mir Bilder dumpfer Schwermuth nur.

Denn der Zauber ist von mir gewichen,
Der mir sonst die öde Welt verklärt.
Ach jetzt dünkt sie leer mir und verblichen,
Nicht mehr ist sie meiner Wünsche werth.
Trennung rief in eine weite Ferne
Meines Lebens einz’ges, höchstes Glück,
Seitdem traten meiner Hoffnung Sterne
In des Kummers finstre Nacht zurück.

Wenn uns schwere Träume oft umfangen,
Muth und Kraft uns lähmend in der Brust,
Stillt der Morgen das erträumte Bangen
Mit des fröhlichen Erwachens Lust;
Und wir lächeln über die Gefahren,
Aufgethürmt von schwarzer Fantasie.
Alle Schrecken, welche wir erfahren,
Fliehn vor der Besinnung Harmonie.

Möcht‘ auch mir dereinst der Morgen glühen,
Der mich weckt aus öder Trennung Traum.
Dann erst wird der Frühling mir erblühen,
Mild und sonnig in des Daseyns Raum.
Doch bis dahin hüllt ein matter Schleier
Jeden Reiz der Erde für mich ein,
Und es strahlt mir nur des Lenzes Feier
In des Wiedersehens Himmelsschein.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Trennung von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Trennung“ von Charlotte von Ahlefeld thematisiert den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen und die daraus resultierende Entfremdung von der Welt und ihren Freuden. Das lyrische Ich steht in einem starken Gegensatz zur erwachenden Natur: Während draußen der Frühling blüht und neues Leben erwacht, bleibt das Innere des Ichs von Kälte und Erstarrung geprägt.

Die Naturbilder im ersten Teil – Maienlüfte, blühende Pflanzen, singende Vögel – dienen nicht dem Ausdruck von Lebensfreude, sondern heben die Isolation und innere Leere des lyrischen Ichs umso stärker hervor. Die Unfähigkeit, am allgemeinen Erblühen teilzuhaben, wird durch die Metapher des „Winters“ im Herzen besonders eindrücklich gestaltet. Diese Gegensätze zwischen außen und innen durchziehen das gesamte Gedicht.

Im weiteren Verlauf vertieft sich die Darstellung der Verzweiflung. Die Trennung wird als einschneidendes Ereignis beschrieben, das alle bisherigen Freuden entwertet hat. Besonders prägnant ist das Bild von den „Hoffnungssternen“, die durch die Trennung in die „finstre Nacht“ zurücktreten. Die Welt erscheint leer und ohne Bedeutung, und selbst der Frühling verliert seine gewohnte Schönheit und Wirkung.

Erst in der letzten Strophe schimmert eine leise Hoffnung auf: Das Erwachen aus dem „öden Trennungstraum“ wird mit dem Aufleuchten eines neuen Morgens verglichen. Doch bis dahin bleibt das Erleben der Welt getrübt, eingehüllt in einen „matten Schleier“. Das Gedicht bewegt sich so zwischen tiefer Melancholie und der vagen Aussicht auf Trost durch ein zukünftiges Wiedersehen. Möchtest du auch eine kurze Deutung zur Rolle der Natur im Gedicht?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.