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Sonett

Von

Als mir, von goldner Freiheit noch umfangen,
Des Daseyns Fülle blühend sich erschloss,
Da war’s ein dunkles, heiliges Verlangen,
Das über mich der Sehnsucht Flammen goss.

Da blickt ich froh und kühn in die Gefilde
Der Zukunft hin, von Morgenroth beglänzt;
Das Leben schien in ungetrübter Milde
Von der Natur mir tausendfach umkränzt.

Und doch – von allen Blüthen, die es schmücken,
Von allen Freuden, die das Herz beglücken,
Verdient nur eine, dass man sie beweine.

Es ist das süße, trunkene Entzücken,
Das nur durch Schweigen wagt sich auszudrücken
In stummer Liebe seligem Vereine.

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Gedicht: Sonett von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sonett“ von Charlotte von Ahlefeld thematisiert in klassischer Sonettform den Wandel von idealistischer Lebenshoffnung zur Erkenntnis einer einzigen, tiefgründigen Erfüllung: der stillen, innigen Liebe. Der Text verläuft in zwei klar gegliederten Teilen – zunächst eine Rückschau auf jugendliche Lebensfreude, dann eine pointierte Reflexion über das, was im Rückblick wirklich von Bedeutung ist.

In den ersten beiden Quartetten beschreibt das lyrische Ich seine Vergangenheit als eine Zeit des Aufbruchs und der Freiheit. Die Bilder von „goldner Freiheit“ und „des Daseyns Fülle“ evozieren eine jugendlich-optimistische Lebensphase, in der ein „heiliges Verlangen“ die Richtung vorgibt. Die Natur wird idealisiert, sie „umkränzt“ das Leben mit Versprechen und Schönheit. Diese Passage zeichnet ein Bild hoffnungsvoller Erwartung, getragen von Sehnsucht und Lebenslust.

Der Umschwung folgt im dritten Terzett. Trotz all der beschriebenen Fülle erkennt das lyrische Ich, dass die vielen „Blüthen“ und „Freuden“ nur eine überdauert: jene, die es verdient, „dass man sie beweine“. Damit wird eine tiefere, melancholisch gefärbte Wertung eingeführt – ein Hinweis auf etwas Vergängliches und zugleich Kostbares.

Diese eine wahre Freude ist im letzten Terzett benannt: „das süße, trunkene Entzücken“ einer Liebe, die sich nicht in Worten, sondern nur im Schweigen offenbart. Die Sprache wird hier zarter, fast entrückt. Die „stumme Liebe“ wird nicht in Leidenschaft, sondern in innerer Übereinstimmung erfahren – ein „seliger Verein“, der über alles Vergängliche hinauszugehen scheint.

Charlotte von Ahlefeld verbindet in diesem Gedicht empfindsame Innerlichkeit mit der klassischen Strenge des Sonetts. Die Erfahrung der Liebe wird als stilles, aber tiefes Glück dargestellt, das alle äußeren Lebensfreuden übertrifft. Damit ist das Gedicht auch Ausdruck einer romantischen Sehnsucht nach Tiefe, Innigkeit und dem unaussprechlich Wahren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.