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Über die Nachtigal

Von

1.

Hört der holden Nachtigall
süssen Schall
durch den Busch erschallen:
sie will / durch ein Kling-Gedicht
ihre Pflicht
ihrem Schöpffer zahlen.

2.

In dem weiß-geschmälzten Zelt
aller Welt
seinen Ruhm sie singet:
dahin zielt ihr Müh‘ und Fleiß
daß sein Preiß
hell von ihr erklinget.

3.

Dir / dir / dir / O höchster Hort
ohne Wort
pfleg‘ ich Dank zu geben:
ohne End ist mein Begehr
deine Ehr‘
äusserst zu erheben.

4.

Jede Feder fordert Lob
ist ein Prob
deiner milden Güte.
Gib / so offt ich sie aufschwing
daß erkling
Dank aus dem Gemüte.

5.

Jedes Würmlein / das ich iss
ist gewiß
deiner Schickung Gabe.
Nimm / Erhalter / vor die Speiß
diesen Preiß
und mich ferner labe!

6.

Dir sey Lob vor diesen Ast
wo ich rast:
doch nit / dich zu loben.
Nein! dein Ruhm wird für und für
dort und hier
hoch von mir erhoben.

7.

Du hast / schöne Singerin
meinen Sinn
auch in was ermundert.
Nur von Gottes Gnad sing ich
weil ich mich
ganz in sie verwundert.

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Gedicht: Über die Nachtigal von Catharina Regina von Greiffenberg

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Über die Nachtigall“ von Catharina Regina von Greiffenberg ist ein religiös geprägtes Lobgedicht, das die Nachtigall als Symbol für die Hingabe und Verehrung Gottes darstellt. Die Nachtigall erhebt ihren Gesang nicht nur aus Freude, sondern als bewussten Ausdruck des Dankes gegenüber dem Schöpfer. Bereits in der ersten Strophe wird betont, dass ihr „Kling-Gedicht“ eine Form der Pflicht gegenüber Gott ist, was die zentrale Thematik des Gedichts – die demütige, gottgeweihte Daseinsform – einleitet.

Die Nachtigall singt in der gesamten Natur („in dem weiß-geschmälzten Zelt aller Welt“), ihr Lied gilt allein dem Lob Gottes. Durch die wiederholte Anrufung („Dir / dir / dir“) in der dritten Strophe wird diese ausschließliche Ausrichtung auf das Göttliche besonders hervorgehoben. Auch das Motiv der Dankbarkeit spielt eine tragende Rolle: Jedes Element ihres Lebens – sei es Nahrung oder Rast – wird als göttliche Gabe betrachtet, die sie wiederum mit Gesang ehrt. Damit verkörpert die Nachtigall das Ideal eines vollkommen in Gott aufgehenden Wesens.

In der letzten Strophe zieht das lyrische Ich schließlich eine Parallele zu sich selbst: Die Nachtigall hat es dazu inspiriert, sich ebenfalls ganz dem göttlichen Lobgesang zu widmen. Diese Wendung macht deutlich, dass das Gedicht nicht nur die Nachtigall als Bild für Frömmigkeit nutzt, sondern auch das eigene dichterische Schaffen in den Dienst Gottes stellt. So wird das Gedicht selbst zu einem Akt der Anbetung, in dem sich die spirituelle Haltung der Autorin spiegelt.

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.