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Bey Ansehung der Sternen
O Ihr Sterne / O ihr Strahlen
die ihr an dem Himmel leucht
wann die Sonne von uns weicht!
wie beliebt ihr mir vor allen!
es ist meiner Augen Liecht
schnurstracks gegen euch gericht.
Euer Blitzen / euer Glitzen
eure Hochheit liebt mir wol:
daß mein Geist verlangens voll
wünschet neben euch zu sitzen.
Daß ich nicht mehr Irdisch wär
nicht aus Hoffart / ichs begehr.
Ihr vollzieht des Höchsten heissen
in gehorsams höchstem Grad:
bleibt in seiner Ordnung Pfad
mit dem Einfluß / Lauff / und gleissen.
eures Thun und Lassens Ziel
ist / vollbringen was GOtt will.
Könt solch heiliges Beginnen
auch in mir ereigen sich!
daß ich würkte stätiglich
wie ihr auf den Himmels Zinnen
was mein GOtt erheischt von mir:
wolt ich mich noch dulden hier.
Nur die Ketten / nur die Bande
nur der Sünden-Strick beschwer
machen wünschen / daß ich wär
Engel-rein in GOttes Hande
ganz befreyt der Eitelkeit:
nicht das Elend dieser Zeit.
Zagen / ist bey feigen Herzen;
nur die Kleinmuht wünscht den Tod:
Dapfferkeit kan alle Noht
tragen / sonder Klag und Schmerzen,
Nur / der Sünden Todt zu sehn
wünsch‘ ich in den Tod zu gehn.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Bey Ansehung der Sternen“ von Catharina Regina von Greiffenberg ist eine poetische Meditation über die himmlischen Gestirne, die als Sinnbild göttlicher Ordnung und Reinheit erscheinen. Das lyrische Ich betrachtet die Sterne voller Bewunderung und vergleicht ihre Beständigkeit mit der eigenen Sehnsucht nach einem Leben frei von irdischer Vergänglichkeit und Sünde.
Bereits in der ersten Strophe wird die Faszination für die Sterne deutlich. Sie leuchten, wenn die Sonne verschwindet, und ziehen den Blick des lyrischen Ichs unaufhörlich an. Ihre Strahlkraft und Erhabenheit werden als Ausdruck einer höheren, göttlichen Ordnung verstanden. Diese Bewunderung geht über das Ästhetische hinaus – sie weckt in der Sprecherin den Wunsch, an ihrer Reinheit und Erhabenheit teilzuhaben.
Die Sterne folgen dem göttlichen Willen in vollkommener Harmonie – sie bleiben „in seiner Ordnung Pfad“ und erfüllen ihre Bestimmung ohne Abweichung. Dies wird als vorbildhaftes Verhalten betrachtet, das das lyrische Ich auf sich selbst übertragen möchte. Der Wunsch, „nicht mehr Irdisch“ zu sein, entspringt jedoch nicht Hochmut, sondern der Sehnsucht nach göttlicher Nähe.
Die letzten Strophen verdeutlichen, dass nicht das Leid der Welt das Verlangen nach einer himmlischen Existenz weckt, sondern allein die Bürde der Sünde. Der Wunsch nach dem Tod entspringt nicht Kleinmut oder Angst, sondern dem Streben nach geistiger Läuterung und Befreiung von irdischer Eitelkeit. Das Gedicht endet mit der Feststellung, dass wahre Stärke darin liegt, alles irdische Leid ohne Klage zu ertragen – der einzige Tod, den das lyrische Ich ersehnt, ist der „Sünden Tod“.
„Bey Ansehung der Sternen“ verbindet barocke Naturbetrachtung mit tiefster Frömmigkeit. Die Sterne stehen als Sinnbild für göttliche Vollkommenheit und Ordnung, während das lyrische Ich sich nach einer vergleichbaren Reinheit sehnt. Die bewundernde, fast andächtige Sprache unterstreicht die spirituelle Dimension des Gedichts und macht es zu einer poetischen Reflexion über die Sehnsucht nach Erlösung.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.