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Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff

Von

Wie sehr der Wirbelstrom so vieler Angst und plagen
mich drähet um und um / so bistu doch mein Hort
mein mittel punct / in dem mein Zirkel fort und fort
mein Geist halb hafften bleibt vom sturm unausgeschlagen.

Mein Zünglein stehet stät / von Wellen fort getragen
auf meinen Stern gericht. Mein Herz und Aug‘ ist dort
es wartet schon auf mich am Ruhe-vollen Port:
dieweil muß ich mich keck in weh und See hinwagen.

Offt will der Muht / der Mast / zu tausend trümmern springen.
Bald thun die Ruder-Knecht / die sinnen / keinen Zug.
Bald kan ich keinen Wind in glaubens-Segel bringen.

Jetz hab ich / meine Uhr zu richten / keinen fug.
Dann wollen mich die Wind auf andre zufahrt dringen,
bring‘ an den Hafen mich / mein GOtt / es ist genug!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff von Catharina Regina von Greiffenberg

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Sonett „Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff“ von Catharina Regina von Greiffenberg nutzt das Motiv der stürmischen Seefahrt als Sinnbild für die Herausforderungen des Lebens und die spirituelle Suche nach Halt in Gott. Das lyrische Ich beschreibt sein Dasein als eine unaufhörliche Fahrt durch Ängste und Plagen, findet jedoch in Gott einen „Hort“, also einen festen Mittelpunkt, der ihm Orientierung gibt.

Die erste Strophe betont diesen Kontrast zwischen äußeren Widrigkeiten und innerer Beständigkeit. Obwohl der „Wirbelstrom“ des Lebens das Ich umherwirbelt, bleibt sein Geist durch den Glauben verankert. Der Vergleich mit einem „Zirkel“, der sich um einen „Mittelpunct“ dreht, unterstreicht die göttliche Stabilität inmitten weltlicher Unruhe. Auch das Bild des „Züngleins“ (Kompassnadel), das stets auf den Stern gerichtet bleibt, verstärkt dieses Motiv: Trotz aller Unwägbarkeiten bleibt der göttliche Fixpunkt erhalten.

Die zweite Strophe schildert die Gefahren der Lebensreise. Der Mut, mit einem Mast verglichen, droht zu brechen, die „Ruder-Knechte“ (die Sinne) verweigern ihren Dienst, und der Wind des Glaubens erlahmt. Diese Bilder stehen für Momente der Verzweiflung und Orientierungslosigkeit, in denen das lyrische Ich keinen Einfluss mehr auf sein eigenes Schicksal zu haben scheint. Besonders eindrucksvoll ist die Zeile „Dann wollen mich die Wind auf andre Zufahrt dringen“, die zeigt, wie äußere Mächte das Ich auf unerwartete Wege führen.

Das abschließende Gebet um göttliche Führung bringt eine Wendung: Trotz aller Stürme vertraut das lyrische Ich darauf, dass Gott es sicher in den „Hafen“ führen wird. Die letzte Zeile „bring‘ an den Hafen mich / mein GOtt / es ist genug!“ ist ein Ausdruck tiefster Hingabe und Demut. Insgesamt spiegelt das Gedicht barocke Frömmigkeit wider, in der die Welt als unstet und bedrohlich empfunden wird, während allein der Glaube eine verlässliche Zuflucht bietet.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.